Masken auf!

Bei „Autismus und zwischenmenschliche Beziehungen“ schwankt es bei mir meistens zwischen „ich hätte nie gedacht dass Du Autist bist“ und „ich bin hier so in meinem eigenem Kontinuum, ich kann/will hier nicht raus“, und das gefühlt von einem Pol zum anderen (ich rede hier vom privaten Bereich – professionnel ist das was anderes).

Die Sache ist ja die: ich selbst fühle mich nicht so, als wäre ich defekt, oder problematisch – ich „funktioniere“ halt vielleicht nur etwas anders als viele andere Personen (funktionieren: zweckmässiges Wort, aber auch nicht – ich bin keine Maschine. Aber es drückt es halt korrekt aus). Nur lassen mich die anderen, die Mehrheit, die Neurotypischen dann halt mich so fühlen als wäre ich defekt, schlechter, „behindert“ – oder vielmehr behindern mein Wohlergehen in den Momenten, in denen es mir nicht egal ist, was sie von mir denken.

Es wird mir bewusst, wie anders ich bin, und dass ich nie ganz reinpassen werde, ausser ich zwinge mich dazu und setze eine Maske auf. Das habe ich mein Leben lang gemacht. Aber eigentlich – nein, nicht eigentlich – will ich das gar nicht mehr. Warum auch? Weil jeder Mensch Kompromisse machen muss?

Ich habe ein sehr reiches Gefühlsleben, aber es fällt mir oft schwer, dies adequat auszudrücken, bzw. überhaupt erst einmal meine Gefühle korrekt zu identifizieren. Ich hasse es, wenn man mir, wenn ich mir Druck machen muss, um schnell darüber zu reden „weil es eben so sein muss“ – manchmal geht es relativ schnell, und manchmal dauert es lange. Genauso wie ich überhaupt immer Zeit brauche, bis etwas in meinem Hirn angekommen ist, und ich darauf reagieren kann.

Und manchmal habe ich einfach gar keine Gefühle. Nicht dass ich deswegen ich Psychopat wäre – es sind einfach keine da, und sie fehlen mir nicht. Dann kann ich Dinge rational betrachten. Dass heisst nicht, dass ich nicht empathisch sein kann, oder mich dementsprechend verhalten kann. Aber es läuft nun mal eben anders bei mir.

Bin ich deswegen kaputt, schlechter, problematisch, unwert, unliebenswert? Manchmal, aufgrund von Erlebtem, habe ich den Eindruck dass „Ja, ist so“. Es wäre leichter, wenn ich ständig eine Maske aufhätte und nicht ich selbst wäre, oder nicht ganz. Es ist ja nicht so, dass ich mich immer verstelle.

Aber wenn ich einfach nur ich wäre, mal Gefühl-los, mal ungeschickt oder langsam beim ausdrücken, schnell sensoriell überlastet, mit total fehlendem Zeitgefühl und für Smalltalk kaum zu gebrauchen – dafür aber lieber ehrlich und (unverschämt aber liebevoll?) direkt, mit viel Humor (auch mal schwarz, und mal verstehe ich manchen Humor auch gar nicht), mit zwei linken Händen aber kreativ. Ich mag Sozialkontakte, bin aber auch dann irgendwann davon erschöpft und brauche alleine – Zeit zum auftanken.

Gleichzeitig hängt die Verbundenheit zu einem Menschen für mich nicht (nur) davon ab, wann mensch sich das letzte Mal gesprochen hat: ob vor einer Woche oder 6 Monaten ändert nicht unbedingt viel. Gleichzeitig kann ich mit Stille nicht immer gut umgehen – sagt mir Mensch allerdings „ich hab grad viel los, ich meld mich irgendwann“, ist alles in Ordnung, es liegt nicht an mir, dann kann auch ruhig etwas Zeit vergehen. Das liegt wie bei vielem an Dingen in meiner Vergangenheit – und ich bin dabei, es abzulegen. Ich antworte auch nicht immer sofort. Darum erwarte ich es auch nicht von anderen. Zeit existiert irgendwie nicht für mich.

Die Konsequenz von alldem ist eine mehr oder minder grosse Einsamkeit. Das Gefühl, dass oft nur der Rückzug bleibt, das Gefühl, irgendwie immer zu viel zu sein, oder zu anders, zu seltsam -den Normen nicht angepasst- bleibt. Ich brauche soziale Kontake, aber oft fehlt mir uch die Energie dazu, oder sie brauchen meine Energie schnell auf. Meine Art zu funktionieren passt nicht zu den Erwartungen, wie „man zu funktionieren hat“, innerhalb des Geflechts sozialer Beziehungen.

Und irgendwie lässt mich das gerade ratlos.

In ein paar Tagen geht es zurück an die Uni, und ich werde korrekt funktionieren. In Uni und Kirche läuft es meist, aber privat bin ich verloren. Mitsamt dem Gefühl dass ich es gar nicht sein darf. Denn so autistisch sehe ich ja gar nicht aus.

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