Warum ich froh bin, dass meine Tochter blond und blauäugig ist.

Meine Tante fragte mich mal ob ich irgendwann wieder nach Deutschland zurückziehen würde.
Damals sagte ich, Ich glaube nicht.
Heute sage ich, Nein, auf keinen Fall.
Geboren bin ich dort, aufgewachsen, irgendwo in Hessen.
In einer Stadt in der es Stolpersteine gibt, aber keine Synagoge mehr.
Eine Stadt, die irgendwann mal als judenrein erklärt wurde und kurz danach die Bomben fielen.
Ein Land, das einen Teil meiner Vorfahren nach Auschwitz und Terezin schaffte
Niemals wieder soll das geschehen! sagten sie…
Und doch geht Deutschland stolzen Schrittes wieder dorthin zurück,
unter Jubelrufen der einen,
und angesichts des kalten Angstschweisses der anderen:
Jüdische, queere, behinderte, nicht-durchschnittsdeutsche –
allen, die das Glöckchen „Unrein, unrein“ umgehängt bekommen.
Warum ginge ich in ein Land zurück, dass eine Teil seiner Kinder totschlagen und fressen will?
-oder zumindest nichts dagegen tut,
und (Ver)Hetzer den Führerbunker wieder aufbauen lässt.
Also ging ich in die Schweiz, vor über zwei Jahrzehnten.
Froh, entkommen zu sein.
Um nach einiger Zeit aufzuwachen und zu merken, dass es hier nicht besser ist.
Zu schwarz um weiss zu sein, und zu weiss, um schwarz zu sein:
gefangen zwischen den Welten
mit der steten Frage nach der Herkunft –
denn man sieht es mir ja an dass ich nicht von hier bin;
vielmehr: nicht hierher gehöre
von der Gesellschaft bis zu zwei Jahrzehnten Ehe
Pass dich an, tanz nicht, singe nicht,
schneide deine Haare kurz because it ain’t no good hair
Profiling und Rassismus im grossen als auch im kleinen Kanton
denn Menschen gibt es
für die es immer mehr Platz gibt als für andere
Aufgewachsen mit Schimpfworten und täglichen Schlägen,
Gürtel, Ruten, Fäuste, N-Worte: lass uns Sklave spielen, Onkel Tom!
Denn nur ein toter I ist ein guter I –
Beschwer dich nicht, ein I kennt keinen Schmerz –
obwohl, so exotisch ist doch geil, willst nicht mal?
Stell dich nicht so an, tu dem Onkel Herbert den Gefallen.
Und ich denke an meine anderen Vorfahren
Igbo aus Nigeria, Menschen aus Sierra Leone
auf Schiffe gezwängt wie Vieh
von Plantagen in der Karibik zu Plantagen in den Carolinas und Georgia,
Mit Cherokees auf dem Weg der Tränen
Tainos und Columbus lost at sea
versklavt, mit Gewalt genommen, genozidiert und nochmals durch Papier
zu Southern Natives, die jetzt als illegal immigrants in Käfigen sterben
weil der weisse Herrenmensch meint, er hätte alle Rechte
wo früher keine Grenzen waren
und so spielt er sich heute noch auf
während er sich gleichzeitig für das Opfer hält
meint, es wäre seine Kultur, die ausgerottet wird
nachdem er die unseren genommen hat und sie noch für seine Karnevale missbraucht
uns unsere Queerness austreibt seit 1492 und jetzt sagt, es wäre etwas Neumodisches
Was weiss ich schon, ich bin nur eine Wilde,
ein Wilder in zivilisierten Landen
doch Hause bin ich nirgendwo
denn die gleichen Kräfte greifen überall um sich
ersticken alle Farbe,
erbauen Führerbunker und Konzentrationslager mit Worten
und beschwören totgeglaubte doch lebendige Geister
wer nicht dagegen steht, ist tatausführende Person und unterschreibt das Exekutionsprogramm
Also bleib ich hier, in einem Land, das mich nicht will
(meine Steuern schon)
denn es gibt ein paar Menschen, die mich wollen
dann halten wir zusammen
gegen die Welle die nicht erst kommt sondern schon rollt
wir halten zusammen gegen die Angst trotz der Angst in der Angst
in Liebe mit Liebe mit Trotz mit Hoffnung und Zündflammen gegen den Wahnsinn
mit der Resilienz meiner Vorfahren,
deren vereinte Kraft nicht umsonst durch meine Adern fliesst
-and my hair is good hair.



Hinterlasse einen Kommentar