Reise mit meinem Körper

Mein Körper ist mein Zuhause für dieses Leben. Eigentlich war er von klein auf ein schönes Zuhause, doch habe ich erst jetzt gelernt, mich darin Zuhause zu fühlen. Von klein auf wurde er begutachtet, nach Normen beurteilt, verurteilt, behandelt, meist ungesund begehrt – wenn überhaupt. Als BIPoC wird man leicht entweder abgelehnt oder fetischisiert, und als gendernonconforming/trans ebenso.

Fatshaming, nicht den gängigen weiblichen Normen entsprechend – das hat man mich immer wieder spüren lassen, ob in Familie, Ehe oder Gesellschaft. Als intergeschlechtlicher Mensch wurde ich «normalisiert» um in eine weibliche Rolle zu passen, die doch nicht meine war. Verschiedene Gewalterfahrungen haben dann noch ihr Übriges getan.

Mit und in diesem Körper habe ich mich nicht wohlgefühlt – ich konnte es nicht. Konnte mich nicht darin erkennen. Er war nicht mein Zuhause. Zu oft gehört ich sei zu hässlich, zu fett, zu dunkel, dumm – und habe es irgendwann auch geglaubt. Es kam zu Esstörungen: diesen Körper wollte ich kontrollieren, ihn kleinkriegen, wenn er schon nicht «meiner» ist. Richtig weiblich habe ich mich nie gefühlt. Aber – was ist das überhaupt? Und: wie sieht ein idealer Körper überhaupt aus, wie fühlt er sich an?

Die Zeit in fundamentalistischen Gemeinden hat mir damals nicht geholfen, im Gegenteil: weiblich aufgewachsen, in enge Rollenbilder gepresst sollte ich mich für diesen Körper schämen, ihn zähmen und war dafür verantwortlich bzw. daran Schuld, was andere mit ihm machten. Alles Anderssein wurde abgelehnt, jede Art Körperlichkeit mit Argwohn beoachtet. Da half auch alles «Gott hat uns alle lieb» nichts mehr.

Ich bin auf meine eigene Suche gegangen. Neben dem weiblichen ist auch das männliche in mir, wurde immer stärker und wollte gelebt werden. Nach meiner Ehe war ich frei, den Sprung zu wagen, ich selbst zu sein, zu werden und auch in meinem Körper ein zu Hause zu finden. Ich fing mit Testosteron an, gefolgt von einer Mastektomie. Jetzt ist mein Körper so, wie er (zumindest gefühlt) hätte sein sollen, bevor andere meinten, diesen XX/XY Körper an Gesellschaftsnormen angleichen zu müssen. Es ist MEIN Körper, in dem meine Seele anfängt, sich wirklich wohlzufühlen. 

Wirklich zum Gleichgewicht verholfen hat mir das sich wieder connecten zu meinen indigenen Wurzeln. Andere Werte, andere Normen, andere Zugänge, eine andere Weltsicht. Ich konnte mich, meinen Körper und Geist als Two-Spirit verstehen und verorten: weiblich und männlich zugleich, gut so wie ich bin, so geschaffen und gewollt.

In meinem Körper bin ich zu Hause, weil… er nun wirklich meiner ist. Er ist nicht perfekt, aber ist zu meinem Zuhause geworden. Meine Tattoos erzählen Teile dieser Reise. Sie war lang, aber sie war es wert. Spät angefangen, aber nicht zu spät. Good medicine.

Obwohl in der Gesellschaft noch immer die gleichen Normen gelten, obwohl mein Körper geschunden wurde, trotz chronischer Krankheiten hat sich mein Blick, mein Empfinden meines Körpers verändert. Es gibt immer wieder mal Tage, die nicht einfach sind. Aber ich lasse mich nicht von ihnen bestimmen.

Und so ist mein Körper auch konkret der Ort von Spiritualität. Meine Spiritualität drückt sich auf so vielfältige Weise aus: tanzen, singen, schreiben, Dinge mit meinem Körper tun – von dem ich nun glauben kann, dass er wundersam und wunderbar geschaffen wurde. Mit ihm kann ich nun leben und beten und Schöpfer:in loben und danken für all das Gute in meinem Leben.

Ich habe diesen Text ursprünglich für Faithpwr geschrieben. Faithpwr ist Teil der digitalen Kirche DE. Besucht sie doch gerne mal auf Instagram!

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