Das I-Wort: koloniale Fremdbezeichnung

Das I-Wort. Viele benutzen es – wahrscheinlich ohne böse Absicht, und ohne zu wissen, dass es sich hier um eine koloniale Fremdbezeichnung handelt. Und manche tuen es in dem Wissen, dass es sich eben um eine solche handelt und bestehen darauf, dass es ihr Recht ist, „weil sie es ja nicht böse meinen“, oder „weil sie es ja schon immer benutzt haben“. Das I-Wort: gemeint ist das Wort Indianer. Andere weisen darauf hin, dass ja doch die eine oder andere Indigene Person nicht stört, oder dass das Wort „Indian“ vielerorts in den USA benutzt wird. Auf all das werde ich zurückkommen. Fakt ist, dass das I-Wort eine koloniale Fremdbezeichnung ist, und als solche wäre es gut daran getan, sie zu vermeiden.

Die Geschichte ist wohlbekannt: Kolumbus verirrt sich auf See, kommt auf Hispaniola an und wird von den dort lebenden Taino-Arawak entdeckt. Aufgrund seines Irrtums, zu denken, er sein in Indien, gibt er ihnen den Namen „Indios“. Er notiert in seinem Tagebuch dass die Taino „sehr schön an Gestalt seien, friedlich, freundlich, grosszügig. Sie seien daher sicherlich leicht zu versklaven“. Innerhalb weniger Jahren hatten die Spanier sie in der Tat fast ausgerottet, und das Interesse an 10-jährigen Mädchen war nicht nur bei Kolumbus, sondern auch seinen Männern besonders hoch. So fing die Geschichte des I-Wortes an.

Es ist daher eine koloniale Fremdbezeichnung, und wird es auch immer bleiben. Sämtliche Bevölkerungsgruppen, die damit bezeichnet werden (und wurden), haben bereits ihren eigenen Namen, mit dem sie sich bezeichnen, und der daher die adäquate Bezeichnung ist. Sicherlich gibt es hier und dort auch indigene Menschen, die das I-Wort nicht stört. Dennoch kann und sollte man nicht von einer oder zwei Personen auf alle schliessen: wenn ein Wort aus 100 Personen Personen nicht stört, was ist dann mit den 98 anderen? Von denen sich zudem ein Grossteil (was das I-Wort in der deutschen Sprache angeht) dagegen ausspricht? Ist man dann gewillt, diese absichtlich zu überhören, dem eigenen Komfort zuliebe?

Der Einwand „aber in den USA gibt es das Wort Indian in vielen Bezeichnungen, und sogar Eigenbezeichnungen“ ist ein ungültiger Einwand. Die USA und ihre geschichtlichen als auch politischen Hintergründe können nicht 1:1 auf Europa bzw. Deutschland und andere deutschsprachigen Regionen übertragen werden. Geschichtlich gewachsen ist das Wort „Indian“ von der US Regierung bestimmt in allen Regierungsbehörden zu finden, die sich mit indigenen Angelegenheiten befassen: BIA (Bureau of Indian Affairs), IHS (Indian Health Care Services) etc. Somit gibt es kein herumkommen um dieses Wort. Ebenso Organisationen, die schon lange existieren: AIM (American Indian Movement), und bestimmt, vor allem ältere Generationen von indigenen Menschen sind einfach mit diesem Wort aufgewachsen weil es -von oben übergestülpt und eigene Sprachen und Bezeichnungen verboten waren- kein anderes Wort gab. So gibt es dann auch Nations, die das Wort „Indian“ in ihrem Namen haben, wie z.B. die „Agua Caliente Band of Mission Indians“. Heute ändert sich das langsam, und es gibt auch hier Diskussionen um die Bezeichnung. Fragt man bei jüngeren Menschen, kann man z.B. hören „Don’t call me Indian because I’m not from India. Don’t call me Native American because Amerigo Vespucci was a colonizer. Don’t call me Navajo because that name was given to us from outsiders. Call me Diné, because that is what we call ourselves„.

Das heisst, am sichersten liegt man -ausser mit dem Namen der jeweiligen Nation- mit Indigenous (Indigen), Native American/First Nation für einen Nordamerikanischen/Turtle Island Kontext. Da es Indigene Menschen aber nicht nur im Norden gibt, plädiere ich für die Bezeichnung „Indigen“ mit, im Falle, danach der notwendigen Spezifizierung. Denn nur zu oft denkt man bei dem Wort nur an die USA/Kanada, und Mittel- und Südamerika/Abya Yala als auch die Karibik werden vergessen, oder das Indigen-sein wird ihnen abgeschrieben da der Stereotyp des Plains-Kriegers mit der Federhaube in nicht wenigen Köpfen vorherrscht.

Ausserdem gibt es noch den Unterschied zwischen Eigenbezeichnungen und Fremdbezeichnungen. Es ist ein Unterschied, ob ich mich auf eine Art und Weise nenne, oder eine Person mir von aussen etwas -in manchen Fällen auch gewaltvoll- zuschreibt. Als Beispiel das N-Wort, das allgemein als rassistische, degradierende Bezeichnung anerkannt ist. Einige Schwarze Menschen erobern sich diese Bezeichnung als Eigenbezeichnung zurück unter benutzen sie unter Schwarzen Menschen (!), und nur dort.

Das heisst aber auch im Gegenzug, dass das Wort dennoch auf keinen Falls als Fremdbezeichnung auf keinen Fall von einer nicht-Schwarzen Person benutzt werden sollte, da es sich sonst um eine rassistische degradierende Aussage handelt. Das heisst, wenn eine Indigene Person das I-Wort benutzt, ist dies nicht automatisch ein Freifahrtsschein für eine nicht-indigene Person. Koloniale Fremdbezeichnungen gilt es zu vermeiden, auch wenn es nicht die ;Menschen von heute sind, die diese Bezeichnungen eingeführt haben, und auch wenn „keine bösen Absichten“ hinter der Benutzung des Wortes liegen. Auch tut es nicht weh, stattdessen das Wort „indigen“ zu benutzen.

Auch hängt inzwischen mit dem I-Wort in Deutschland (aber auch in anderen Teilen Europas) gleichzeitig ganz andere Problematiken zusammen, die gleichsam mit dem I-Wort getriggert werden. Das sind die ganze Hobbyisten-Problematik die eng mit Stereotypen, Genozid-Romantisierung, Winnetou-Fantasien und Exotisierung von ganzen Völkern und insbesonders unseren Frauen, zusammenhängen, als auch der Thematik der Karnevalskostüme, die jedes Jahr wieder neu aufkommt.

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