Gesehen im Spital, geschrieben zwischen Tropfständer und Tischlampe.
Ich habe Signs im Krankenhaus gesehen.
Abgedunkeltes Zimmer, intravenös Salzlösung, Schmerzmittel.
Und ein Film, der nicht viel zeigt – und doch alles sagt.
Er ist kein Actionfilm, kein klassischer Science-Fiction, kein Horrorfilm im herkömmlichen Sinn.
Aber Signs tut das, was guter Film kann: Er stellt die eine große Frage.
Was, wenn es doch einen Sinn gibt?
Der Pfarrer, der keiner mehr sein will
Graham Hess ist ein Mann, der aufgehört hat, Pfarrer zu sein – zumindest offiziell.
Nach dem plötzlichen Unfalltod seiner Frau hat er Gott den Rücken gekehrt. Oder versucht es.
Aber seine Umwelt lässt ihn nicht los: Die Polizistin nennt ihn weiterhin „Father“, der Nachbar beichtet ihm, und selbst seine Kinder brauchen ihn in genau dieser Rolle. Nicht als Vater. Als Seelsorger. Als jemand, der glaubt.
Aber was ist Graham eigentlich?
Ein Glaubensverweigerer? Ein Atheist im Talar?
Oder jemand, der immer noch glaubt – und gerade darum so wütend ist?
Die Antwort findet sich in seinen Ausbrüchen.
In dem Moment, wo er sich weigert zu beten, obwohl sein Sohn ihn bittet.
In dem Schrei in die Dunkelheit:
„Ich hasse dich!“
Das ist kein Atheismus.
Das ist ein zutiefst biblischer Ruf.
Hiob lässt grüßen. Jeremia. Der Psalmbeter.
Es ist der Schrei eines Menschen, der sich von Gott betrogen fühlt –
weil er nicht nicht glauben kann.
Zufall oder Zeichen? Glaube als Entscheidung
In einer Schlüsselszene erklärt Graham seinem Bruder die Welt.
Es gebe zwei Arten von Menschen, sagt er.
Die einen sehen in allem Zeichen, die anderen nur Zufall.
Und je nachdem, woran man glaubt – so lebt man auch.
Der Film entscheidet sich nicht für uns.
Er zeigt Begebenheiten – und überlässt die Deutung dem Zuschauer.
Die letzten Worte der sterbenden Frau: „Sag ihm, er soll schwingen.“
Der Baseballschläger. Das Asthma des Sohnes. Die Wassergläser der Tochter.
Sind das Hinweise? Ein göttlicher Plan?
Oder nur nachträglich gedeuteter Zufall?
Graham beginnt, die Puzzlestücke zu sehen.
Im Rückblick.
Er liest die Geschichte seines Schmerzes neu.
Providenz, sagen Theologen.
Das rückwärtige Erkennen von Sinn.
Der Film zwingt uns nicht, zu glauben.
Aber er zeigt, was Glaube bedeutet:
Sich zu entscheiden, die Welt nicht für leer zu halten.
Gott in der Krise
Grahams Glaube ist kein Happy-End-Glaube.
Er ist kein „Gott macht alles gut“-Märchen.
Er ist ein Glaube, der Gott anschreit, ignoriert, verhöhnt –
und sich trotzdem nicht endgültig abwendet.
Im Krankenhaus habe ich viel mit Schmerz zu tun gehabt.
Auch mit Gott.
Nicht so dramatisch wie Graham. Kein tödlicher Autounfall. Aber Schmerz. Kontrollverlust.
Ein Körper, der plötzlich nicht mehr funktioniert.
Ein Gefühl, dass alles entgleitet.
Und dann schaut man einen Film, in dem ein Mann Gott anschreit.
Und es fühlt sich wahr an.
Apokalypse und Identität
Die Außerirdischen sind im Film keine Spektakelwesen.
Sie sind nie ganz zu sehen. Nur schemenhaft.
Sie symbolisieren nicht nur eine Bedrohung von außen, sondern eine tiefere Verunsicherung.
Was, wenn wirklich alles zusammenbricht?
Was bleibt dann von mir?
Wer bin ich ohne meine Rolle?
Graham verkleidet sich in einer Szene als Polizist – fast grotesk.
Er versucht, jemand zu sein, der nicht glaubt.
Aber das ist er nicht.
Erst, als er wieder betet – als er wieder Pfarrer ist – ist er ganz bei sich.
Berufung ist hier keine Funktion.
Es ist Identität.
Das Glauben der Kinder
Die Kinder glauben. Einfach so.
Sie handeln, als wäre Gott möglich.
Sie stellen Wassergläser auf. Sie beten. Sie hoffen.
Sie sind nicht naiv – sie sind verwundet. Und trotzdem offen.
Vielleicht ist das der tiefste Kommentar des Films.
Dass es nicht die Theologen oder Priester sind, die glauben retten –
sondern die Kinder, die nie ganz aufgehört haben, Zeichen zu sehen.
Wasser, Leben, Rettung
Die Tochter ist eigen. Empfindlich. Sie sagt, das Wasser schmecke „komisch“.
Also stellt sie überall Gläser hin, trinkt nur das Richtige, lässt den Rest stehen.
Was zunächst wie kindliche Zwangsstörung wirkt, wird zur Rettung:
Genau dieses Wasser tötet den Angreifer.
Wasser wird zum rettenden Element.
In der Bibel ist Wasser zugleich Bedrohung und Leben.
Flut und Schöpfung. Exodus und Taufe.
Hier ist es: das banale, nicht getrunkene Wasser eines Kindes – das rettet.
Fazit: Glauben heißt rückwärts lesen – und vorwärts vertrauen
Signs ist ein Film, der keine fertige Theologie bietet.
Er stellt Fragen, gibt Andeutungen, bietet Bruchstücke.
Aber er sagt etwas Entscheidendes:
Der Sinn zeigt sich manchmal erst hinterher.
Was heute Schmerz ist, kann morgen Bedeutung haben.
Im Krankenhaus, zwischen Piepen und Schmerz, ist das ein leiser Trost.
Kein billiger. Kein einfacher.
Aber vielleicht ein echter.
Glaube beginnt da, wo wir das Chaos nicht leugnen –
sondern es rückwärts lesend durchleben.
In der Hoffnung, dass irgendwo ein Zeichen auf uns wartet.