Licht und Weg

Diese Woche ist eine besondere Woche.
Eine Woche, in der Lichter entzündet werden –
nicht, weil alles hell wäre,
sondern weil es dunkel ist.

Die jüdische Feier Chanukka erzählt von einem Licht,
das eigentlich nicht reichen sollte.
Ein kleines Gefäß Öl,
gedacht für einen einzigen Tag.
Kein Vorrat, keine Sicherheit,
kein Plan B.
Und doch brennt es weiter.
Tag für Tag.

Nicht, weil jemand stärker gewesen wäre.
Nicht, weil die Welt plötzlich heil war.
Sondern weil das Licht getragen hat.
Oder vielleicht:
weil Gott getragen hat.

Ich finde das tröstlich.
Denn ehrlich gesagt:
Viele von uns kommen morgens nicht mit vollen Vorräten.
Nicht mit Kraft für eine ganze Woche.
Manchmal nicht einmal für einen ganzen Tag.
Wir kommen mit dem,
was gerade noch da ist.

Der Psalm dieser Woche -Psalm 102- kennt genau das.
Er ist kein starkes Gebet.
Kein siegreiches.
Er ist ein müdes Gebet.
Ein Gebet aus dem Inneren heraus.
Eines, das sagt:
„Ich bin erschöpft.
Meine Tage verrinnen.
Aber du, Gott, bleibst.“

Das ist ein großer Unterschied:
Nicht ich bleibe stark –
sondern du bleibst.

Bibeltexte sprechen oft von einem Weg,
nicht von einem Sprung.
Von einem Wachsen,
das Zeit braucht.
Von Geduld,
von Milde,
von einer Freude,
die tiefer reicht als gute Laune.

Und dann gibt es diese Momente,
in denen die Welt plötzlich aufbricht.
Gewalt, die hereinbricht
in das scheinbar Normale.
Nachrichten, die uns nicht mehr loslassen.
Bilder, die sich einbrennen.

Was in Sydney geschehen ist,
lässt sich nicht einfach beiseitelegen.
Es betrifft mich –
und ich weiß,
es betrifft auch andere,
auf unterschiedliche Weise.

Ich bin Pfarrerin, ja.
Aber auch Mensch.
Jemand,
der innehält,
der erschrickt,
der trauert
– denn gerade dort habe ich geliebte Menschen,
die mir seit Jahrzehnten Familie sind –
und der trotzdem hier betet.

Vielleicht ist genau das der Ort,
an dem Glaube beginnt.
Nicht dort, wo alles klar ist.
Sondern dort,
wo wir das Dunkel nicht verleugnen
und trotzdem ein Licht anzünden.

Advent und Chanukka
stehen sich dabei nicht gegenüber.
Sie widersprechen einander nicht.
Sie flüstern dasselbe:
Die Dunkelheit ist real.
Und das Licht auch.

Kein grelles Licht.
Kein alles überstrahlendes.
Sondern ein kleines,
treues,
beharrliches.

Vielleicht reicht es heute,
wenn wir sagen können:
Für diesen Morgen reicht es.
Für diesen Schritt.
Für dieses Gebet.

Und vielleicht ist das Wunder nicht,
dass alles gut wird,
sondern dass wir die Kraft bekommen,
zu bleiben.
Zu hoffen.
Zu vertrauen.

Ein Licht.
Ein Atemzug.
Ein gemeinsames Amen.

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