Ein Kostüm? Nein, sind wir nicht.

Es hat Tradition. Was eigentlich?

Das Verkleiden als Native, oder der Rassismus? Beides. Beides muss aufhören, dennoch widersteht beides allen Einwänden, allen Erklärungen.

Das sich-verkleiden als Native American hat eine lange Tradition. Spätestens hier sei zu erwähnen, dass eben nicht alle Traditionen gut sind. Und das nicht nur in Europa – von daher, wer meint, dass Natives nur weil sie eventuell Winnetou und Yakari nicht kennen kein Problem mit Weissen non-natives in stereotypen Verkleidungen haben, hat weit -sehr weit- gefehlt.

Auch in den USA haben diese Verkleidungen eine lange Geschichte, und der Protest dagegen dementsprechend auch. Der Protest ist nur in letzter Zeit lauter geworden, weil unterdrückte und marginalisierte Stimmen in den letzten Jahren an Lautstärke und Sichtbarkeit gewinnen konnten. Wer der „guten alten Zeit“ hinterhertrauert weil man auf Minderheiten herumtrampeln konnte und ihre Kulturen ausschlachten wie man wollte ohne deren Stimme dagegen zu hören, der hat schon deutlich auf seine Fahne geschrieben wessen Geistes Kind er ist.

Und doch, es hat Geschichte…

Bereits bei der Boston Tea Party 1773 verkleideten sich weisse Männer als Kanienʼkehá꞉ka (Mohawk) und warfen den Tee über Bord und traten so den Unabhängigkeitskrieg los. Später brachten sie immer wieder indigene Menschen aus den Americas (früher brachte Kolumbus indigene von den karibischen Inseln) nach Europa um sie auszustellen – in Zirkus, in Zoos, zur Belustigung der Schaulustigen etwas Exotik. Später tourte Buffalo Bill mit Indigenen Menschen, aber auch weissen, die als indigene verkleidet waren (oft war es für indigene Menschen die einzige Möglichkeit, vor dem Hungertod im Reservat zu entkommen und so ihre Kultur vorzuführen wie dressierte Tiere im Zirkus).

Manchmal reisten mit diesen Truppen auch weisse Männer, die sich als Natives verkleideten, oft in der Rolle des „Chiefs“, stereotypisch vorgaben nur gebrochen die Sprache des „weissen Mannes“ zu sprechen, etc, damit indigene stets wild und exotisch erschienen, so wie man es wünschte – gefangen wie ein Museumsstück in der Zeit des Wilden Westens. Auch wurden stereotype Bilder von Natives benutzt, um Marken besser zu verkaufen, zu vermarkten – so haben sich rassistische Stereotype eingebrannt, die nichts mit den indigenen Kulturen, Menschen und ihrem Leben zu tun haben. Der Genozid und die heutige eigene Verantwortung wird vergessen und verdrängt, indigene Menschen rassistisch und wie Tiere behandelt.

Später wurde es normal in den USA dass sich nicht nur weisse Männer, sondern auch Kinder -Jungen und Mädchen- als Natives verkleideten: die Pfadfinder (Boy & Girl Scouts), Sport Maskottchen, Halloween… Schliesslich wurden auch Tiere wie Natives angezogen und dargestellt, oder gar Gegenstände: indigene Menschen wurden dehumanisiert und zu ihren Stereotypen reduziert. Dazu kamen noch die unzähligen Filme, in der zwar indigene vorkamen, aber in der Regel von europäischen Schauspielern gespielt wurden, in irgendwelchen Wildlederanzügen (oder halbnackt) und einem der gängigen Stereotypen entsprechend – das konnte der „edle Wilde“ sein, oder aber der blutdürstige Wilde, je dying breed – die sterbende Rasse. So hatte James Cameron die Lakota als „dead end culture“ bezeichnet; als Inspiration für seine Filme waren sie dennoch gut genug…

In dieser Form gab es indigene Menschen in der Vorstellung der Dominanzgesellschaft, während die wirklichen indigenen Menschen in Reservaten und Internaten um ihr überleben kämpften und der Staat (USA, aber auch Kanada) den indigenen „aus dem Menschen austreiben“ wollte, Zwangssterilisationen bei indigenen Frauen vornahm und auch jetzt noch Frauen und Kinder gefährtdet sind – Kanada spricht immer noch von einem andauernden Genozid.

Unter dem Einfluss von Karl May, aber auch Amerikanern in Europa, kamen die Verkleidungen nach Deutschland und schliesslich weiteren Teilen von Europa, wo dieses „Hobby“ regen Anklang fand.

In Amerika protestieren Indigene Menschen schon seit Jahren gegen die rassistischen Kostüme, Stereotypen, Maskottchen etc die einen negativen Einfluss auf die psychische Gesundheit und das Selbstwertgefühl von indigenen Menschen, besonders Kindern und Jugendlichen haben. Es wird ebenfalls gegen rassistische Sprache protestiert, die hier immer noch ohne jegliches Nachdenken und ohne Einsicht breit benutzt wird, so das Wort Squ*w, das inzwischen ein so belastetes Wort ist, dass es in den USA offiziell aus Landnamen etc. genommen wird: dieses Wort bezeichnet eine indigene Frau lediglich durch ihr Geschlechtsteil – der Teil der indigenen Frau, der die weissen Siedler interessierte; Siedler, die Frauen reihenweise vergewaltigten (etwas, das heute noch passiert – der Anteil der indigenen Frauen, denen sexuelle Gewalt widerfährt, ist wesentlich höher, als der der nicht-indigenen Frauen: MMIW2S).

Doch der Durchschnittsdeutsche will sich nicht von seiner I*-Verkleidung abbringen lassen. Er findet alle möglichen Ausflüchte. Oder, wenn schon indigene Kinder dafür umgebracht wurden, dass sie indigen waren, sollten doch kleine Deutsch ihren Spass haben dürfen? Man soll sich nicht so anstellen, wäre doch alles nicht so schlimm! Ausserdem würde man die Kostüme ja anziehen, weil man indigene Menschen liebt – aus Verehrung, sozusagen. Man liebt sie so sehr, dass man ihnen sagt, sie sollen die Schnauze halten sobald man etwas dagegen sagt. Was für eine Liebe ist das?

Sobald etwas gegen diese Obssession gesagt wird, gegen das vermeintliche Recht der Dominanzgesellschaft, alles tun und lassen zu können was man will ohne jegliche Rücksicht -denn darauf läuft es im Endeffekt raus- wird einem mit Verachtung, Spott, Paternalismus und manchmal mit Hass begegnet. Oder es wird einem das Native-sein abgeredet: jetzt möchte ich das nochmal hören, aber von einem echten Native. Und die Forderung nach einem vermeintlichen echten Native wird so oft wiederholt, bis gefunden wird, wonach die Ohren jucken – denn ein echter Native, den würde das nicht stören, oder der würde sich geehrt fühlen. Denn man hat ja mal irgendwann ein Youtube Video gesehen wo der und der das gesagt hat, oder ein Onkel hat mal das gesagt…

Nein, wir sind kein Kostüm. Unsere Kulturen sind vielfältig, vom Norden bis zum Süden und in der Karibik – ein billiger Stereotyp könnte dem niemals gerecht werden. Unsere Regalia hat Bedeutung. Unsere Haare sind heilig und selbst dafür werden viele heute noch diskrimiert.

Unsere Kulturen sind kein Kostüm. Wenn jemand in den Urlaub fährt, z.B. nach Monument Valley, und sich bei den Diné Türkisschmuck kauft, und diesen im Alltag trägt, ist das wunderbar. Damit hat diese Person die Diné-Handwerker unterstützt, die davon leben und ihre Familien ernähren. Das ist kein nachäffen von Kulturen, von Regalia. Oder sich ein Rezeptbuch kaufen, und zu Hause etwas Leckeres für sich und seine Freunde kochen. Ist doch prima! Das ist nicht das gleiche – cultural appreciation.

Das gleiche gilt auch für andere Kulturen: asiatische Kulturen sind kein Kostüm, afrikanische Kulturen, arabische Kostüme gehen nicht, oder Sinti & Romani… und die dazu gehörenden rassistischen Ausdrücke sind ebenfalls nicht zu benutzen. Ich nenne Deutsche auch nicht „Nazis“, „Kartoffeln“ oder „Krauts“ – auch wenn es keinen Rassismus gegen Weisse gibt, will ich dennoch keine solche Bezeichnungen gebrauchen. Auf das Niveau begebe ich mich nicht.

Um mehr darüber zu lernen, warum ein „indigenes Kostüm“ keine gute Idee ist, geht doch zu KeinKostüm und lest euch durch. Es braucht nicht viel Zeit, und es könnte nicht besser gesagt werden. KeinKostüm ist eine Kampagne für indigenous Empowerment, die darüber aufklärt. Plakate etc finden sich unter KeinKostüm. Auf Instagram @keinkostuem

Eines habe ich in den letzten Tagen gemerkt: wer sich gegen Rassismus wendet, bekommt meistens drei der vier möglichen Reaktionen ab:

  • Mensch wird verspottet, verhöhnt, ausgelacht, „krank im Kopf“ genannt, nicht ernst genommen, es wird einem mit Übertreibung und Whataboutism begegnet, nach „Hause“ geschickt
  • Mensch wird aggressiv angegangen, bedroht, noch mehr rassistisch beileidigt, sexuell belästigt, geschlagen, angezeigt, angefasst – direkte oder colaterale Gewalt
  • es interessiert niemanden
  • Mensch findet Gehör, gute Gesprächspartner, Interesse und Zustimmung.

Leider sind die ersten beiden Möglichkeiten noch immer recht häufig vertreten, sei es in Deutschland, hier in der Schweiz oder auch in Österreich.

Nummer drei kommt zweifach vor: entweder bei Menschen, die sich verkleiden und es einfach tun, oder es tun und es kundtun – „interessiert mich nicht“. Rassismus, wenn man nicht davon betroffen ist, scheint nur wenige Menschen zu interessieren. Sei es Interesse in Form von weiterleiten eines Posts, einer Information, oder nur Nachfragen, wie es mir in dieser Zeit und Situation geht. Aber da kommt nichts. Man fühlt sich allein. Gäbe es da nicht Verbindungen zu anderen Natives, auch wenn sie weit weg sind, es wäre schwierig. Und eine Handvoll Menschen, die dann doch da sind – eins, zwei hier, die anderen übers Netz verteilt.

Und für die bin ich wirklich dankbar.


Quellen/Zitate:

„While minstrel shows have long been criticized as racist, American children are still socialized into playing Indian. Columbus Day celebrations, Halloween costumes and Thanksgiving reenactments stereotype Indigenous Peoples as one big distorted culture. We are relegated to racist stereotypes and cultural caricatures.“ Dwanna L. Robertson, “Playing ‘Indian’ and Color-Blind Racism,” Indian Country Today, September 20, 2013. https://indiancountrymedianetwork.com/news/opinions/playing-indian-and-color-blind-racism/ (accessed October 30, 2017)

„Native American mascots have very little to do with Native Americans. They do not, nay, cannot, represent indigenous men and women. Much like blackface, such inventions and imaginings, meant to represent a racial other, tell us much more about Euro-Americans….They reflect and reinforce the fundamental features of racial and gendered privilege in a settler society, particularly a sense of entitlement to take and remake without consent and to do so without the burden of history, the challenges of knowing, or the risk of penalty.“ C. Richard King, redskins: Insult and Brand, 31-32.

Rayna Green, “The Tribe Called Wannabee: Playing Indian in America and Europe.” Folklore, vol. 99, no. 1 (1988): 30-55

Madye Lee Chastain, Let’s Play Indian (New York: Wonder Books, 1950)

Philip J. Deloria, Playing Indian (New Haven, CT: Yale University Press, 1998), 189-190

Charlene Teters, in “Stolen Identities: The Impact of Racist Stereotypes on Indigenous People,” Hearing before the Committee on Indian Affairs, United States Senate, 112th Congress, May 5, 2011. https://www.gpo.gov/fdsys/pkg/CHRG-112shrg66994/pdf/CHRG-112shrg66994.pdf  (accessed October 29, 2017)

https://www.ferris.edu/HTMLS/news/jimcrow/native/homepage.htm

“Any appropriation of American Indian images or cultural imagery to sell a product,” scholar Victoria E. Sanchez asserts, “amounts to perpetuation of institutionalized racism and is a contributing factor to insensitive stereotypes, prejudice, discrimination, and stigmatization.” Victoria E. Sanchez, “Buying into Racism: American Indian Product Icons in the American Marketplace,” in American Indians and the Mass Media, eds. Meta G. Carstarphen and John P. Sanchez (Norman: University of Oklahoma Press, 2012): 153-168

André B. Rosay, “Violence Against American Indian and Alaska Native Women and Men,” U.S. Department of Justice, Office of Justice Programs National Institute of Justice, May 2016. https://www.ncjrs.gov/pdffiles1/nij/249736.pdf (accessed January 15, 2018)

Emma LaRocque, “Here Are Our Voices—Who Will Hear?” Preface to Writing the Circle: Native Women of Western Canada, compiled and edited by Jeanne Perreault and Sylvia Vance (Norman: University of Oklahoma Press, 1993)

Suzan Shown Harjo, “Watch Your Language!” Indian Country Today, July 4, 2001. https://indiancountrymedianetwork.com/news/watch-your-language/ (accessed October 26, 2017)

Ein Gedanke zu “Ein Kostüm? Nein, sind wir nicht.

  1. Solche Sachen kommen sowieso nicht von Gott. Denn jedes Aussehen oder jede Art von Kleidung, die bei anderen Menschen Ärger hervorruft, kann kein Segen sein. Maskeraden sind ein Phänomen, das wenig mit der Heiligen Schrift zu tun hat, weil sie aus heidnischen Nationen stammen, die mehrere Götter verehrten und ihre Kinder als Opfer für diese Götter ins Feuer warfen.

    Like

Hinterlasse eine Antwort zu Antun Pleša Antwort abbrechen