Jetzt hatte ich das mitten in der Hitzewelle geschrieben – und vor lauter schwitzen ganz vergessen, zu veröffentlichen…
Einleitung: Theologie, Schweiß und der Teufel im Detail
Manchmal frage ich mich, wie die großen Theologen früher den Sommer überlebt haben. Luther schwitzend in Wittenberg, Augustinus halb dehydriert in Nordafrika, Bonhoeffer ohne Klimaanlage in Berlin. Und dann ich – frisch wahlfähig, bald ordiniert, bei schmelzenden 33 Grad im Schatten, das Hirn nur noch bedingt betriebsfähig. Was tut man da? Genau: Man tut, was jeder halbwegs vernünftige Mensch tut – man schaut Netflix. Oder sowas.
Und natürlich Lucifer. Wer sonst sollte in dieser Hitze noch Verständnis für innere Kämpfe, Berufungsfragen und moralische Ambivalenz haben, wenn nicht der Teufel himself? Zwischen Club-Szenen, himmlischen Konflikten und einer überraschend tiefgründigen Story stolpert man mitten hinein in theologische Grundfragen.
Amenadiel und Lucifer liefern sie uns quasi frei Haus – nur dass es nicht nach Weihrauch riecht, sondern nach Whiskey und Sünde, gewürzt mit einem Hauch Selbstironie.
Und so sitze ich da, mit Eistee in der einen und theologischen Grübeleien in der anderen Hand – und frage mich: Was, wenn der Himmel gar nicht so weit weg ist? Sondern irgendwo zwischen Zweifel, Liebe und einer runtergekommenen Straßenecke in L.A.?
Oder: Wenn Theologie und Netflix sich bei 33 Grad im Schatten treffen
Es gibt Tage, da ist sogar das Denken schweißtreibend. Da tropft die Sommerhitze von der Decke, die Bücher verstauben unberührt im Regal und der Kopf schreit nach geistigem Fast Food. Aber dann passiert’s: Man schmeißt Netflix an, klickt auf eine Folge von Lucifer – ausgerechnet den Teufel persönlich – und merkt plötzlich: Ups. Das hier ist ja tiefer, als so manche langweilige Vorlesung.
Staffel 4, Folge 8 – „Super Bad Boyfriend“ – ist so ein Fall. Zwischen höllischen Witzen, göttlichen Selbstzweifeln und ziemlich viel Chaos geht es um nichts weniger als die großen Fragen von Berufung, Freiheit, Gut und Böse, Frieden, Zweifel und Liebe.
Hier mein theologischer Sommersalat aus dieser Episode:
1. Berufung: Wo ist mein Platz in dieser Welt? (Amenadiel’s inner struggle)
Amenadiel, der mächtige Engel, der früher zwischen Himmel und Erde pendelte wie ein transzendenter Diplomat, steckt plötzlich knietief in den Problemen eines heruntergekommenen Viertels. Und er fragt sich: Warum bin ich eigentlich hier? Sollte ich nicht… Größeres tun? Wichtigeres? Bedeutenderes?
Aber genau das ist das Spannende: Berufung passiert nicht immer auf der großen Bühne. Manchmal bedeutet sie, Frieden in einem Straßenzug zu suchen, in dem keiner mehr daran glaubt. Oder für ein paar Jugendliche da zu sein, deren Welt längst in Scherben liegt.
Amenadiel wird nicht dadurch bedeutend, dass er Engel ist, sondern dadurch, dass er handelt – mitten im Dreck, nicht über den Wolken.
Theologisch: Viele biblische Berufungen sind so unspektakulär wie Amenadiels Alltag. Mose hütet Schafe, Jeremia jammert, Maria ist ein Teenie aus der Provinz. Berufung ist kein Heldentitel, sondern ein Auftrag zum Mitgestalten.
Sie fragt: „Wo braucht mich diese Welt – jetzt, heute, hier?“
2. Freier Wille oder göttlicher Plan? – Wer lenkt hier eigentlich wen?
Amenadiel ringt damit, Gottes Plan umzusetzen. Aber was, wenn der Plan unklar ist? Muss er dann selbst entscheiden – oder einfach nur abwarten? Lucifer hingegen glaubt oft, dass sein Weg längst festgelegt ist: Er ist der Teufel, also muss er eben der Böse sein. Oder?
Doch die Wahrheit liegt dazwischen: Beide ringen mit ihren Entscheidungen. Beide sind frei – und doch eingebunden in etwas Größeres.
Theologisch: Willkommen im alten Streit zwischen Prädestination und freiem Willen. Augustinus, Luther, Arminius, sie alle haben sich daran abgearbeitet.
Vielleicht ist es wie beim Tanzen: Gott gibt den Rhythmus vor, aber wir entscheiden, wie wir uns dazu bewegen.
Oder anders gesagt: Wir sind keine Roboter im göttlichen Betriebssystem. Wir sind Mitspieler.
Und Gott? Vielleicht eher ein Spielleiter als ein Programmierer.
3. Gut, Böse – oder irgendwas dazwischen?
Lucifer hat keinen Bock mehr auf die Klischees. Der Teufel als Bösewicht vom Dienst? Langweilig.
Und Amenadiel als strahlender Held? Auch nicht so eindeutig.
Beide sind widersprüchlich, menschlich, hin- und hergerissen.
Lucifer liebt, leidet, zweifelt. Amenadiel scheitert, irrt sich, aber gibt nicht auf.
Gut und Böse sind in dieser Folge keine klaren Lager. Sie sind Prozesse, Kämpfe, Entscheidungen. Und das macht die Figuren so glaubwürdig.
Theologisch: In der Bibel sind selbst die „Helden“ ambivalent. David war Ehebrecher und Mörder, Petrus ein Feigling, Paulus ein religiöser Fanatiker, bevor er zum Apostel wurde.
Gut und Böse sind keine festen Identitäten, sondern Wege, die man geht – manchmal in die eine, manchmal in die andere Richtung.
Vielleicht ist das Entscheidende nicht, ob wir „gut“ sind. Sondern ob wir bereit sind, immer wieder neu das Gute zu suchen.
4. Frieden: Zwischen Naivität und echtem Einsatz
Amenadiel meint es gut. Er will Frieden schaffen, wo Gewalt herrscht. Aber schnell merkt er: Gute Absichten reichen nicht. Frieden ist nicht „alle haben sich lieb“ und fertig.
Er muss Strukturen verändern, Vertrauen aufbauen, Risiken eingehen.
Und er muss aushalten, dass es Rückschläge gibt.
Frieden ist unbequem. Er ist Arbeit. Und manchmal auch Kampf – gegen Ungerechtigkeit, gegen Angst, gegen das eigene Ego.
Theologisch: In der Bibel ist „Shalom“ kein innerer Seelenzustand, sondern eine soziale Realität. Frieden herrscht, wenn Menschen in Würde leben können, wenn Gerechtigkeit herrscht, wenn niemand unterdrückt wird.
Jesus sagt: „Selig sind die Friedensstifter“ – nicht die Friedensredner.
Oder wie Dietrich Bonhoeffer sagt: „Friede muss gewagt werden.“
5. Zweifel: Selbst Engel fragen nach dem Warum
Amenadiel zweifelt an sich, an Gott, an seinem Auftrag.
Und ehrlich: Wenn sogar Engel nicht immer durchblicken – warum sollten wir es dann?
Der Zweifel macht Amenadiel nicht weniger gläubig. Er macht ihn menschlicher.
Er ringt, er fragt, er sucht. Und das ist biblisch bis ins Mark.
Mose sagt: „Warum ich?“ Jeremia sagt: „Ich kann nicht reden.“ Hiob schreit Gott an.
Zweifel ist kein Gegenteil von Glauben. Es ist oft sein Anfang.
Theologisch: Manchmal ist Gott die große Frage, nicht die fertige Antwort.
Glaube, der keinen Zweifel kennt, ist oft bequem, aber nicht ehrlich.
Zweifel heißt: Ich nehme Gott ernst genug, um nicht alles sofort zu schlucken.
6. Liebe: Die Kraft, die uns verändert
Und dann ist da noch Lucifer, der auf seine Art liebt – kompliziert, verkorkst, aber echt.
Die Beziehung zu Chloe verändert ihn. Nicht in einen besseren Menschen, aber in einen ehrlicheren.
Liebe macht nicht perfekt. Aber sie macht verletzlicher, offener, menschlicher.
Sie lässt uns wachsen – und manchmal auch scheitern.
Und trotzdem bleibt sie: als Hoffnung, als Antrieb, als Risiko.
Theologisch: „Gott ist Liebe“, sagt der 1. Johannesbrief. Nicht: Gott ist Kontrolle. Oder Ordnung. Oder Richtigkeit.
Liebe ist frei, riskant, unberechenbar. Und gerade deshalb göttlich.
Lucifer liebt – und findet dadurch ein Stück von sich selbst. Vielleicht finden wir Gott manchmal auch erst, wenn wir den anderen lieben.
Fazit:
Theologie geht auch bei 33 Grad im Schatten. Manchmal braucht es dafür nur einen höllisch charmanten Teufel, einen zweifelnden Engel und eine Serie, die mehr Tiefgang hat, als sie auf den ersten Blick zeigt.
Vielleicht ist das Leben ja auch genau so: kein Schwarz-Weiß, sondern ein wildes, chaotisches, herausforderndes Mitspielen in einer Geschichte, die größer ist als wir selbst.
Und vielleicht flüstert uns Gott manchmal nicht aus dem Himmel zu – sondern mitten aus Netflix.
Und die Moral von der Geschicht’?
Was bleibt also von Lucifer, Staffel 4, Folge 8, hängen?
Ganz einfach:
- Engel sind auch nur Menschen.
- Der Teufel hat ein Herz (und ziemlich gute Anzüge).
- Frieden wächst nicht von allein, und Berufung ist selten bequem.
- Zweifel gehören zum Glauben wie Schokolade zum Sommer: sie schmelzen, aber schmecken trotzdem.
- Liebe macht alles komplizierter – aber auch schöner.
- Und manchmal ist Netflix eben doch Bildungsfernsehen.
Also, beim nächsten Hitzetag: Füße hoch, Serie an, Theologie einschalten.
Und falls jemand fragt, was du gerade machst, sag einfach: „Ich arbeite an meiner spirituellen Horizonterweiterung.“ Klingt doch gleich viel klüger.