Ein warmer Sommersonntag in Bern. Menschen ziehen durch die Straßen, bunt, laut, lebendig – und mittendrin öffnet sich ein Raum. Ein Raum aus Licht, ein Raum aus Stille und Klang, aus Gebet und Gesang, aus Wärme und Weite.
Zum allerersten Mal fand im Rahmen der Bern Pride eine queere multireligiöse Feier statt – getragen von einem interreligiösen Team, getragen von Hoffnung, getragen von der Vision, dass Spiritualität und queeres Leben sich nicht ausschließen müssen. Sondern sich gegenseitig bereichern können.
Ort der Begegnung war die Christkatholische Kirche St. Peter und Paul – ein weiter Kirchenraum in der Altstadt, mitten im Herz der Stadt und offen zu allen Seiten. Schon kurz vor 13 Uhr begannen sich die Holzbänke zu füllen. Queere Menschen, spirituell Suchende, Gläubige verschiedener Traditionen, Neugierige, Freund:innen, Unterstützer:innen. Es wurde gesprochen, gesungen, gebetet, gelauscht, geschwiegen. Es wurde gesegnet – in allen Richtungen, über alle Grenzen hinweg.
Hinduismus, Judentum, Christentum, Islam und Buddhismus waren vertreten. Menschen verschiedener Geschlechter und Herkünfte standen nebeneinander, trugen ihre Stimmen, ihre Zeichen, ihre Rituale in diesen Raum. Und der Raum nahm alles auf – nichts war zu viel, nichts zu wenig, nichts fremd. Es war, als hätte genau dies hier immer schon stattfinden sollen.
Die Feier stand unter dem Motto:
„Offen für alle – unabhängig von Herkunft, Religion, sexueller Orientierung oder Geschlechtsidentität.“
Und dieses „offen für alle“ war nicht nur eine Formel. Es war spürbar. In der Klarheit der Worte. Im aufmerksamen Miteinander. In der Tiefe der Gesten. In der zarten, fast leuchtenden Musik des Numantia World Music Duos, die alles verband und durchzog.
Ein Grußwort des christkatholischen Bischofs Frank Bangert und des Präsidenten des Hauses der Religionen, Johannes Matyassy, begannen die Feier – beide stärkten mit warmen Worten das Anliegen dieser ersten queeren interreligiösen Feier.
Das Vorbereitungsteam bestand aus Menschen, die mit großer Achtsamkeit zusammenarbeiteten – queer und nicht-queer, jüdisch, muslimisch, christlich, buddhistisch, hinduistisch. In den Wochen vor der Feier wuchs etwas zusammen. Ohne Gleichmacherei. Mit Respekt vor dem Eigenen und Freude am Gemeinsamen. Es war nicht immer einfach, aber immer wertvoll.
Getragen wurde die Feier auch durch die Unterstützung vieler Organisationen – darunter die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn, die Christkatholische Kirche Bern, die Katholische Kirche Region Bern, Keshet Schweiz, die Queer Sangha Bern, Al-Rahman, der Hindu-Verein Bern, Hab Queer Bern, der Arbeitskreis Religion & Migration des Bistums Basel, und natürlich die Bern Pride selbst.
Nach der Feier blieben viele zum Apero. Es wurde gelacht, umarmt, gefragt, nachgespürt. Man sah glänzende Augen. Man hörte Sätze wie:
„So etwas habe ich noch nie erlebt.“
„Ich wusste nicht, wie sehr ich das gebraucht habe.“
„Endlich ein Ort, an dem alles zusammenkommt – Glaube, Queerness, Zugehörigkeit.“
Was bleibt?
Ein Nachklang. Ein Licht. Ein Gefühl von Zugehörigkeit – nicht trotz, sondern wegen all der Unterschiede.
Ein Glaube daran, dass Religion nicht verletzen muss, sondern heilen kann.
Ein Vertrauen, dass es Orte geben kann, an denen wir nicht nur geduldet, sondern gesegnet sind.
Ich selbst habe bei dieser Feier gesprochen. Ich werde meine ganze Ansprache in einem weiteren Beitrag veröffentlichen. Doch hier ein Auszug – Worte, die mich durch mein eigenes Leben tragen und die ich an diesem Tag mit allen Anwesenden geteilt habe:
Oft wurde Menschen – intergeschlechtlich – wie mir gesagt:
„Du passt nicht. Dein Körper – falsch.
Dein Begehren – sündhaft.
Dein Glaube – unvereinbar.“
Aber Gott sagt:
Doch. Du passt. Du warst nie falsch.
Es war immer zusammen gedacht.
Religion wurde oft gegen Queers verwendet.
Aber ich glaube: Der Glaube gehört uns auch.
Und Gott sowieso.
Ich möchte euch nicht nur ermutigen – sondern segnen.
Lasst uns nicht nur toleriert leben, sondern gesegnet.
Nicht nur akzeptiert, sondern geachtet.
Nicht nur geduldet, sondern geliebt.
Und so möchte ich schließen mit Worten, die auch mich tragen:
Ich bin gewebt, nicht genormt.
Gesegnet, nicht geprüft.
Geliebt, nicht nur geduldet.
Und du auch.
Was bleibt, ist das Gefühl von Nähe und Weite zugleich: Dass Spiritualität und queeres Leben sich nicht ausschließen – sondern sich gegenseitig bereichern können. Dass Unterschiede keine Grenzen sind, sondern Wege der Verbindung. Und dass es möglich ist, gemeinsam einen Raum aus Licht zu schaffen – mitten in einer Kirche, mitten in Bern, mitten in der Pride.