Am 24. August 2025, einem Sonntag um 17 Uhr, wurde ich im Basler Münster ordiniert. Der Weg dorthin war nicht nur ein äußerer, sondern auch ein innerer. In den Tagen davor hatte ich geträumt: Um ordiniert zu werden, müsse man unzählige Dinge vollkommen beherrschen – Shema Jisrael, Midraschim wie Bereshit Rabba, die Ordnung der Paraschiot, die gesamte Tora. Ein Traum voller Überforderung. Rückblickend spiegelt er wohl meine Angst, nicht „genug“ zu sein.
Doch die Wirklichkeit sah anders aus.
Die Feier begann schon um 16:30 Uhr im Bischofshof. Von dort zogen wir in das Münster ein. Der Raum, von Geschichte getragen, füllte sich mit Stimmen, Gesichtern, Erwartungen.
Besonders die Lesungen bedeuteten mir viel: Römer 1,16f., Auszüge aus dem Barmer Bekenntnis und aus der Basler Reformationsordnung. Sie sprachen von Mut, von Gehorsam allein gegenüber Gott, von der Absage an kirchliche Hierarchien. Worte, die mich schon lange begleiten, fanden hier ihren Platz – mitten in meiner Ordination.
Und dann meine Predigt. Ich sprach über das höchste Gebot – nicht als Prüfungsfrage, sondern als Herzfrage: Was trägt, wenn alles wankt? Was bleibt, wenn Sicherheiten zerbrechen? Ausgehend vom Sch’ma Jisrael – „Höre, Israel“ – erinnerte ich daran, dass Glauben mit dem Hören beginnt. Nicht mit großen Taten, nicht mit religiösen Formeln, sondern mit dem Lauschen: auf Gott, auf den anderen, auf das eigene Herz. Ich sprach davon, dass Gottesliebe keine romantische Regung ist, sondern eine Ausrichtung mit allem, was wir sind – Herz, Seele, Verstand und Kraft. Und dass diese Liebe untrennbar verbunden ist mit der Liebe zum Mitmenschen – und auch zu sich selbst, was oft das Schwerste ist. Ich erzählte von Rabbi Hillel, der die Tora auf einem Bein zusammenfasste: „Was dir selbst verhasst ist, das tue keinem anderen. Der Rest ist Kommentar.“ Am Ende blieb der Satz Jesu an den Schriftgelehrten: „Du bist nicht fern vom Reich Gottes.“ Nicht fern – das ist nicht perfekt, nicht angekommen, aber unterwegs. Und vielleicht reicht genau das: bereit zu hören, offen zu lieben, mutig zu gehen.
Ein ganz besonderer Augenblick war, als Frank mir die Stola schenkte. Ich trug meine Albe, schlicht und weiß, und über meinen Schultern lag nun dieses Zeichen des Amtes, getragen von Freundschaft, Zuwendung und Segen. Er hat auch meinen Ordinationsvers ausgewählt: „Ich habe dich gesegnet, und Du sollst ein Segen sein“ (Bereshit/Genesis 12, 2b) בֵּרַכְתִּיךְ וֶהְיֵה בְּרָכָה
Auch die Geschenke, die ich erhielt, trugen eine Wärme, die weit über die Dinge hinausging. Jede Geste sprach von Anteilnahme und Liebe.
Und da ist so viel Dankbarkeit. Dankbarkeit für die Menschen, die mit mir diesen Weg gegangen sind. Für alle, die mich begleitet, ermutigt, manchmal auch getragen haben. Dankbarkeit für diesen Augenblick selbst, in dem das „Zu-viel“ des Traumes sich wandelte in ein „Genug“ und „Mehr-als-genug“.
Am Ende blieb eine große innere Ruhe. Ein Aufgehobensein. Ein Schalom.









Antwort auf den Ruf (Gen 12,2b)
Ich habe es gehört:
Dein Wort, Ewiger –
zart und unerbittlich zugleich.
Ich habe es gehört:
„Ich will dich segnen,
und du sollst ein Segen sein.“
Mein Herz bebt,
doch meine Füße stehen fest.
Ich gehe in dieses Land,
das ich noch nicht kenne,
getragen vom Klang deiner Stimme.
Segen empfangen –
nicht als Besitz,
sondern als Atem.
Segen weitergeben –
nicht als Pflicht,
sondern als Quelle,
die überfließt.
Ich habe es gehört –
und ich antworte:
Ja, so will ich gehen.
Ja, so will ich dienen.
Ja, so will ich leben:
Gesegnet, um Segen zu sein.
Amen.