Am vergangenen Wochenende wurden in der Region St. Moritz antisemitische Schmierereien entdeckt: Auf Wanderwegen tauchten gelbe Hakenkreuze auf, dazu Richtungspfeile mit der Aufschrift „Dachau“. Nur wenige Tage später zeigte sich in Zürich ein noch drastischeres Bild: In einer Unterführung prangte ein riesiges Graffito – ein Hakenkreuz gleichgesetzt mit einem Davidstern, daneben die Worte „Judenschweine“.
Das ist keine zufällige Sprayerei von gelangweilten Jugendlichen. Es ist bewusster, organisierter Hass.
Symbolik und Farbe
Dass die Hakenkreuze in Gelb gesprüht wurden, ist kein Zufall. Gelb erinnert unmittelbar an den „Judenstern“, den Menschen im Nationalsozialismus in Deutschland und den besetzten Gebieten tragen mussten – ein Symbol der Ausgrenzung, Stigmatisierung und Demütigung.
Die Kombination von Hakenkreuz und „Dachau“-Pfeilen verweist eindeutig auf die Konzentrationslager. Hier wird der Weg dorthin im wahrsten Sinne des Wortes „ausgeschildert“. Es handelt sich um eine Drohung, die das historische Leid von Millionen Menschen zynisch instrumentalisiert.
Das Gleichsetzen von Hakenkreuz und Davidstern ist eine besonders perfide Verdrehung: Der Täter schreibt Jüdinnen und Juden die Rolle ihrer eigenen Peiniger zu. Es ist eine Täter-Opfer-Umkehr, die im Kern antisemitischer Ideologie steht.




Antisemitismus in der Schweiz – kein Randphänomen
Solche Schmierereien sind keine Einzelfälle. Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) dokumentiert seit Jahren eine Zunahme antisemitischer Vorfälle in der Schweiz. Sichtbar gewordene Sprayereien sind dabei nur die Spitze des Eisbergs – sie stehen für einen Antisemitismus, der auch online, in politischen Diskussionen und in Alltagskommentaren präsent ist.
Europaweit beobachten Sicherheitsbehörden einen deutlichen Anstieg antisemitischer Straftaten, vor allem seit dem Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 und den darauffolgenden Kriegen und Krisen. In Deutschland hat die Zahl antisemitischer Vorfälle 2024 ein Rekordniveau erreicht. Die Schweiz ist Teil dieses europäischen Umfelds – auch wenn man es gerne anders sehen möchte.
Strafrechtliche Bedeutung in der Schweiz
In der Schweiz sind solche Sprayereien klar strafbar. Art. 261bis des Strafgesetzbuches verbietet öffentliche rassistische und antisemitische Hetze. Das Malen von Hakenkreuzen, antisemitischen Parolen oder Gleichsetzungen von Davidstern und Hakenkreuz erfüllt diesen Straftatbestand eindeutig.
Es geht hier nicht nur um „Sachbeschädigung“. Diese Symbole sind gezielte Einschüchterung. Sie sollen jüdische Menschen verängstigen, aber auch die Gesellschaft als Ganze an die „Macht“ des Nationalsozialismus erinnern und sie normalisieren. Deshalb ist es entscheidend, dass solche Taten angezeigt und strafrechtlich verfolgt werden.
Kontext: Erinnerung und Verantwortung
Gerade in einem Land wie der Schweiz, das im Zweiten Weltkrieg offiziell neutral war, hat Erinnerung eine doppelte Bedeutung. Einerseits war die Schweiz Zufluchtsort, andererseits war sie auch ein Land, das jüdische Flüchtlinge an den Grenzen zurückwies. Vor diesem Hintergrund sind antisemitische Parolen auf Wanderwegen in Graubünden oder in Zürcher Unterführungen nicht „ferne Importkonflikte“, sondern eine direkte Herausforderung an unser gesellschaftliches Selbstverständnis.
Sie fragen uns: Wie ernst nehmen wir die historische Verantwortung? Wie wachsam sind wir gegenüber alten Symbolen in neuem Gewand?
Antisemitismus geht uns alle an
Die gelben Hakenkreuze in St. Moritz und das Hassgraffito in Zürich sind keine isolierten Vorfälle, die man übermalen und vergessen sollte. Sie sind ein Symptom für eine größere Entwicklung.
Antisemitismus bedroht nicht nur Jüdinnen und Juden. Er bedroht die gesamte demokratische Gesellschaft, weil er auf Ausgrenzung, Gewalt und Lügen basiert.
Deshalb gilt: Hinschauen, melden, nicht wegsehen. Nur so wird klar, dass solche Hassbotschaften keinen Platz haben – weder in den Alpen noch in den Städten, weder in der Schweiz noch in Europa.
Persönliche Notiz
Ich bin schockiert, alarmiert – und wütend.
Diese Zeichen, dieses Gelb, das nach brennender Schande schreit – sie treffen ins Mark. Und ich frage mich: Von woher kommt das Gift? Von rechts, von links? Manchmal ist es kaum mehr zu unterscheiden. Der Hass trägt viele Masken, doch er nährt sich immer aus demselben dunklen Brunnen.
Ein Glück, dass meine Grosseltern und meine Uroma das nicht mehr sehen müssen. Sie hätten den Atem verloren, hätten gezittert vor dem Wiedererkennen von Symbolen, die sie längst überwunden glaubten.
Und ich selbst – ich ringe. Ich weiß, man soll nicht hassen. Aber ich bin verdammt nah dran. Ich verachte selten Menschen. Doch hier – bei diesen kalten Händen, die gelbe Zeichen sprühen, um Angst zu säen – hier gerät meine Geduld an ihre Grenze.
Was bilden sie sich ein?
Mit ihrer billigen Farbe, mit ihrer armseligen Wut?
Sie glauben, Schrecken zu verbreiten. Doch sie entlarven nur sich selbst: als armselige Nachahmer einer zerstörerischen Vergangenheit.
Ich werde nicht wegsehen. Und ich werde nicht schweigen.
Gelbe Zeichen
Gelb wie der Stern,
den sie meinen,
in die Haut brennen zu können –
doch nur billige Farbe
auf kaltem Beton.
Hakenkreuze, Pfeile,
Dachau ausgeschildert
wie ein Wanderweg.
Sie grinsen uns an
mit der Fratze der Vergangenheit,
und glauben, Angst sei stärker
als Erinnerung.
Doch wir sehen,
wir erkennen.
Ihr seid nichts Neues.
Ihr steht in einer Linie
mit den Peinigern,
den Schlägern,
den Hetzern,
mit all jenen,
die im Namen des Hasses
Menschen zu Asche machten.
Ihr seid ihre Erben,
armselige Nachahmer,
kleine Schatten
auf der großen Mauer
der Geschichte.
Und ich,
ich will nicht hassen.
Aber meine Hand zittert,
so nah ist die Verachtung.
Gelbe Zeichen
sollen drohen –
doch sie verraten nur euch:
eure Leere,
euren Hass,
euren Verrat an allem,
was menschlich ist.
Wir werden nicht weichen.
Wir werden nicht schweigen.