Erst Ceasefire, dann Intifada

An diesem Wochenende gab es eine weitere Massendemonstration zur Solidarität mit den Menschen in Palästina. Auf dem Plakat -als auch dem Instagram-Post- zur Veranstaltung wurden auch der Kongo und der Sudan erwähnt – obwohl das Bildmaterial einzig und allein auf Palästina anspielte.  Irgendwie werde ich den Gedanken nicht los, dass diese nur hinzugefügt wurden, um dem westlichen und „israelischen Rassismus“ und dem „zionistischen Imperialismus“ weitere Sünden hinzuzufügen.

Ebenfalls auf dem Plakat bzw. des Posts: „Waffenstillstand“ (Ceasefire) und „Beendet den Völkermord“ (End the Genocide) in lateinischen Buchstaben, gut lesbar für jeden an den Seiten des Plakats in rot. In der Mitte stand das Wort „Intifada“ weiss auf grünem Grund in kufiyah Muster – allerdings in arabischer Sprache, so dass der Durchschnittsschweizer es nicht lesen kann.

Es hat etwas mehr als nur Ironisches, ja sogar Zynisches, auf der Ankündigung der Veranstaltung zum Waffenstillstand aufzurufen, während in der Mitte auf Arabisch „Intifada“ steht.

Außerdem stand an äusseren unteren in winziger, fast unsichtbarer Schrift und Größe „kein Antisemitismus“ – doch der Aufruf zur Intifada ist so antisemitisch wie nur irgend möglich.

Aber hey, es ist hinzugefügt worden – auch wenn es fast unsichtbar ist. Man hat sich abgesichert, im Fall der Fälle.

Man mag argumentieren, dass Intifada einfach „Abschütteln“ oder „Aufstand“ bedeutet und im Arabischen viele Nuancen hat (ich spreche schließlich kein Arabisch, gebe ich zu) – aber eines weiß ich: Es gehört mehr als nur ein bisschen intellektuelle Unaufrichtigkeit dazu, dann so zu tun, als wüsste man nicht, was „Intifada“ im israelischen und jüdischen Kontext bedeutet: ein klarer Aufruf zu physischer Gewalt, zu Schaden, zum Tod.

Ich habe das Ende der zweiten Intifada in Israel selbst erlebt, danke. 

Ich kann nicht sagen, dass das etwas gewaltfreies gewesen wäre, wie mir schon so einige Kommentatoren auf Instagram, Tiktok und Facebook vermitteln wollten.

Ich komme nicht darüber hinweg, dass oft so viele Menschen auf diesen Demonstrationen keine Verbindung zum Nahen Osten haben und sich trotzdem berechtigt fühlen, zu mehr Gewalt, Krieg und Tod aufzurufen; aus der Sicherheit der Ferne, weil sie sicher nie erleben wollen, was sie fordern… und meinen, sie hätten etwas Gerechtes vollbracht.

Ich komme nicht darüber hinweg, dass Menschen sich unter dem Deckmantel der Befreiung an die Seite des islamistischen Extremismus, gar Kalifats stellen und es Freiheit nennen! (Denn damit es nicht so ist, fehlen mir so einige Dingen an diesen Bewegungen). Es wird lieber schwarz-weiss gezeichnet, Geschichtsrevisionismus betrieben und Narrativ-unpassende geschichtliche Fakten als Fake oder Propaganda bezeichnet, statt sich mit einer vielschichtigen und komplexen Situation auseinanderzusetzen. Es werden westliche Konzepte und Befindlichkeiten auf eine andere Region der Welt projiziert, z.T. mit Situationen gleichgesetzt, die ganz anders gelagert sind.

Noch etwas: Während der Protestkundgebung gab es verschiedene Sprechchöre, einer von ihnen war der schwedische „Leve palestina, krossa sionismen“, hier ein kleiner Textausschnitt:

„Lang lebe Palästina und zerschmettert den Zionismus
Und wir haben Steine geworfen
Auf Soldaten und Polizisten
Und wir haben Raketen abgefeuert
Auf unsere Feinde
Und die ganze Welt kennt unseren Kampf
Lang, lang, lang lebe Palästina
Lang lebe Palästina und zerschmettert den Zionismus
Und wir werden unser Land befreien
Vom Imperialismus“

Eine friedliche Protestkundgebung? Oder ein Aufruf zu einem Waffenstillstand und danach anschließender Intifada?

Der Aufruf zur Intifada ist das Gegenteil von Friedenswillen. Ein solcher Aufruf ist Öl in ein Feuer zu gießen, das bereits brennt. Lange Zeit waren die einzigen «guten Juden» diejenigen, die für eine Zweistaatenlösung eintraten – die aber stets abgelehnt wurde. Aber jetzt ist es wenigstens offensichtlich: dass der Plan ist Palästina vom Fluss bis zum Meer – from the river to the sea, Palestine you want Jew-free.

Die verwendeten Narrative in der Ankündigung der Veranstaltung -in der Caption auf Instagram- sind die gleichen alten verzerrten Ansichten in neuer Verpackung, die nur mehr Hass, mehr Entfremdung, mehr Blutvergießen und keine Heilung bringen, indem sie „westlichen und israelischen Rassismus, Zionismus und Imperialismus“ als Ursache für alle Kämpfe des globalen Südens postulieren. Benutzte Sprache von Herrenrasse, Übermenschen und Untermenschen zieht falsche Gleichsetzungen zwischen Israelis/Zionisten/Juden und der Nazi-Ideologie. 

Und es ist längst klar, dass „Zionist“ nur ein Codewort für „Jude“ ist und der einzige jüdische Staat „der personifizierte Jude“ in Staatsform ist, auf den all die alten antisemitischen Mythen von Blutlust, Weltherrschaft, rituellem Kindermord, Kontrolle der Finanzen und Medien usw. projiziert werden. Dem wird noch das hinzugefügt, was das Böse, oder die Sünde der jeweiligen Zeit ist. 

Irgendwann war es der Kommunismus, jetzt sind es Rassismus, Imperialismus und Kolonialismus. Vor 80 Jahren wurden die Juden angeschrien, sie sollten zurück nach Israel gehen, wo sie hingehören – und heute werden sie verdammt, weil sie eben dort sind.

Damit will ich nicht sagen, dass Israel perfekt ist. Man darf und soll Israels Regierung dort kritisieren, wo es notwendig ist! Diese Kritik soll und muss allerdings auf dieselbe Art und Weise erfolgen, wie JEDE andere Regierung ebenfalls kritisiert wird. Aber das funktioniert nicht, indem man einen Staat -nämlich Israel-, seine Bürger und ein ganzes Volk dämonisiert, und seine Zerstörungsphantasien darauf projiziert.

Und ebenso genauso muss insbesondere die Hamas kritisiert werden, weil sie als Regierung von Gaza ihr Volk im Stich gelassen hat (abgesehen von ihren Taten als Terrorgruppe!), das etwas Besseres verdient hat. Ebenso so die Regierung in der West Bank. Das palästinensische Volk verdient es, in Freiheit, Frieden, Sicherheit und Würde zu leben. Genauso wie die Israelis. Ich träume vom Frieden. Dafür braucht jedes Volk eine entsprechende Regierung und Vision.

Die vereitelten Terroranschläge gegen jüdische Menschen, Synagogen und jüdische Einrichtungen in Dänemark, Deutschland, Österreich, Frankreich… mit Schusswaffen, Messern und anderen Waffen – das sind die Antworten auf die Aufrufe zur „Globalisierung der Intifada“. Jede verletzte Person, jeder Tod fällt natürlich vor allem auf den oder die Täter zurück.

Aber auch auf diejenigen, die dazu aufgerufen haben.

4 Gedanken zu “Erst Ceasefire, dann Intifada

      • Das führt nach Israel.
        Ich bin nicht Jüdin, aber ich weiss wohin ich gehe, wenn es hier dunkel wird.
        Gestern hat ein guter Kollege zu mir gesagt: Ich weiss du stehst zu Israel, ich nicht! Ich bin für die Palästinenser.
        Das macht etwas mit mir, wenn in meinem nahen Umfeld solche Stimmen aufkommen. Ich bekomme Herzklopfen.
        Liebe Grüsse Brig

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      • Ja, das Gefühl habe ich auch. In den letzten Jahren habe ich immer wieder mal daran gedacht, oder mit dem Gedanken gespielt, oder davon geträumt. Es ist soviel passiert seit dem 7. Oktober, ich weiss nicht wieviel Freunde und Bekannte von denen ich solches gehört habe, die die Hamas gerechtfertigt haben.
        Ich wünsche ganz frohe und friedvolle Festtage. Liebe Grüsse, Ari

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