„Kauft nicht bei den Juden“ heisst es jetzt also auch bei den Jusos – wobei der Anschluss an die als antisemitisch einzustufende bzw. teilweise bereits eingestufte BDS-Bewegung (das moderne „Kauft nicht bei den Juden“) leider nur ein weiterer trauriger Höhe- bzw. Tiefpunkt ist. Denn woran es weder Jusos noch SP fehlt, ist ungecheckter Antisemitismus.

So waren sich die Jusos auch nicht zu schade, bei der Palästina-Demo in Basel mitzulaufen: eine Demo, die sich zwar Friedensdemo nannte, aber bei der Gewalt, Terror, und Auslöschungsfantasien verkündet bzw. gefordert wurden; eine Demo, an der die Märtyrer gepriesen wurden; eine Demo, wegen deren ein Grossteil der jüdischen Bevölkerung und Institutionen geschützt werden musste bzw. verängstigt zu Hause blieb ob des Hasses und der Gewaltbereitschaft gewisser Teilnehmer.
Wie schon das SP-Mitglied Judith Schenk verbreiteten auch die Jusos (zumindest Jusos Biel) erneut den uralten Mythos des Juden, nun Israel, als Kindermörder – linker Judenhass nutzt traditionelle Motive in neuem Gewand.
Doch das ist nichts Neues.
Schon Jean Améry wusste 1976 über den „ehrhaften Antisemitismus“ zu sagen: „Der Antisemitismus, mit dem wir es heute zu tun haben, nennt seinen Namen nicht. Im Gegenteil: Will man ihn haftbar machen, verleugnet er sich. Man kann ihm nur schwer den Prozess machen, den er schon längst verloren hat, der aber gleichwohl ein Verfahren in Permanenz zu bleiben hätte. Was sagt der neue Antisemit? Etwas überaus Einfaches und dem flüchtigen Blick auch Einleuchtendes: Er sei nicht der, als den man ihn hinstelle, nicht Anti-Semit sei er also, sondern Anti-Zionist!“
Dass beide, Jusos und SP voneinander unabhängige Organisationen sind, ändert nichts. Aus Jusos werden im Normalfall SP’ler, und beide Organisationen hängen zusammen; die Juso ist im SP-Präsidium vertreten. Die SP mag manchmal subtiler erscheinen, ist aber dennoch nicht besser mit ihren Judith Schenks und Fabian Molinas (der keine Probleme hat, mit Menschen in Panels zu sitzen, welche Netanyahu mit Hitler gleichstellen und Remigration von Israelis in ihre „Herkunftsländer“ fordern) oder Carlo Sommarugas, oder dem hartnäckigen Schweigen der SP Frauen zu sexualisierter Gewalt, sofern die falschen Frauen betroffen sind – das macht sogenannte „Feministinnen“ wie Tamara Funicielli zu einer grossen Enttäuschung und man fragt sich, ob sie überhaupt wirklich Feministinnen für alle sind – von dem „Believe all victims“ war da nichts zu spüren.
Die Geschäftsleitung der SP Schweiz hat zwar am 24. Mai 2019 eine Resolution «Die SP Schweiz kämpft gegen Antisemitismus» verabschiedet. Diese scheint sich zunächst einmal gut zu lesen und beinhaltet gut tönende Schlagworte: man «ist besorgt», «kämpft aktiv» und «duldet nicht». Doch überfliegt man die Resolution nicht nur, sondern liest sie aktiv, bemerkt man schnell, dass es sich hier um ein oberflächliches Dokument handelt das nur Augenwischerei ist: ein moralisches Feigenblatt, hinter dem man sich heuchlerisch versteckt, ohne sich selbst daran zu halten.
Zuerst fällt auf, dass wie so oft Antisemitismus nicht alleinstehen kann: auch hier wird er, obwohl es um den Kampf gegen Judenhass geht, sich der gesamte erste Paragraph mit Islamfeindlichkeit auseinandersetzt, und beschreibt, wie sich die SP bereits gegen diese eingesetzt hat.
Wie das Dokument korrekt feststellt, «bedroht Antisemitismus … die Grundfesten unserer Gesellschaft und unserer Werte». Von dem aktiven Kampf der SP gegen den Antisemitismus, der danach beschworen wird, lässt sich allerdings im realen Leben ausserhalb von geduldigem Papier und Bildschirmen nichts feststellen. Im Gegenteil – man denke nur an Sommaruga, Molina, Judith Schenk, Pia Holenstein, die Juso, und eine SP-Spitze wie einen Cédric Wermuth der, statt aktiv zu werden, halb verlegen abwinkt und nichts tut. Sofern dann doch ein Fall in die Medien kommt, oder man darauf hingewiesen wird, kommt eine laue Entschuldigung, um danach so weiterzufahren wie vorher.
Ein weiteres Paradox ist die Anerkennung der IHRA-Definition für Antisemitismus durch die Resolution (es wird auch von Bundesrat und Parlament gefordert, sich dazu zu bekennen), und die gleichzeitige Abschwächung des Bekenntnisses dazu, bzw. ein Caveat: Ja, aber.
Es dürfte niemand überraschen, dass dieses Caveat gerade bei der «Israelkritik» ansetzt. Zwar wird versichert, dass das Existenzrecht Israels nicht in Frage gestellt werden darf, Pauschalisierungen und Doppelstandards vermieden werden sollen, doch hapert es gewaltig bei der Umsetzung dieser Resolution in den konkreten Fällen. Kurz gesagt, die SP selbst, und (einige) ihre Mitglieder als auch ihre Jugend-Organisation schert sich nicht darum.
Dabei sind Antizionismus und Anti-Israelismus gerade die Formen des Antisemitismus, die zurzeit am meisten austreten, und gerade in der politischen Linken, nicht selten gemischt mit Motiven aus dem traditionellen Antisemitismus in neuem Kleid – dies hat nichts mehr mit einer objektiven Kritik an der einen oder anderen Politik eines Staates zu tun, wie man sie an jedem anderen Staat ebenfalls tätigen würde (eine solche Kritik verhindert die IHRA keinesfalls).
Somit ist diese Resolution nichts anderes als ein Lippenbekenntnis ohne Konsequenzen.
Eine Partei, die glaubt, gegen jede Diskriminierung zu sein? Ein feuchter Traum. Ausser wenn Judenhass von ihnen nicht als Diskriminierung verstanden wird. Oder vielmehr hält man sich bewusst Augen und Ohren zu und verliert sich in leeren Phrasen, „der Judenhass würde bei ihnen nicht geduldet“. Wobei wir wieder beim obigen Zitat von Jean Améry wären.
Als ehemalige SP-Wählerin sind SP und Jusos für mich unwählbar – und nicht nur für mich.