Christlicher Glaube und AfD – ein unüberwindbarer Widerspruch

Eine mir nahestehende Person hat mir erzählt, sie habe die AfD gewählt. Werte wie Demut, Gastfreundschaft, Fürsorge und tägliches Gebet sind ihr wichtig. Und dennoch stimmte sie der AfD zu – einer Partei, die vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall eingestuft wird, deren Spitzenfiguren NS-Verbrechen relativieren und deren Politik auf Angst, Ausgrenzung und Abschottung setzt. Kann christlicher Glaube mit der Ideologie der AfD vereinbar sein? Ein Blick in Bibel, Kirchengeschichte und aktuelle politische Debatten zeigt: Nein.

Ein persönlicher Ausgangspunkt

Vor kurzem erzählte mir eine mir nahestehende Person, dass sie die AfD gewählt habe. Ich weiß um ihren christlichen Glauben, um ihr Gebet, um ihre tiefe Bindung an Kirche und Bibel. Umso größer war mein innerer Schock. Denn: Wie lässt sich dieser Glaube, der von der Liebe Gottes und der Liebe zum Nächsten lebt, mit einer Partei verbinden, deren Programm und Sprache so oft das Gegenteil von Liebe, Versöhnung und Gerechtigkeit darstellen?

Diese Spannung zwischen persönlichem Glauben und politischer Entscheidung ist nicht nur ein individuelles Phänomen. Sie verweist auf eine tiefere Krise: die Vereinnahmung christlicher Sprache und Werte durch rechtspopulistische Kräfte – und die Frage, wie Christinnen und Christen darauf antworten.

Christlicher Glaube: Hören, Lieben, Dienen

„Höre, Israel! Der Herr, unser Gott, ist der einzige Herr. Und du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit ganzem Herzen und mit ganzer Seele und mit all deiner Kraft. Und du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (vgl. Mk 12,29–31). Diese Worte Jesu knüpfen direkt an das jüdische Glaubensbekenntnis, das Sch’ma Israel, an. Glaube heißt hören – auf Gott, auf die Mitmenschen, auf das eigene Herz. Und im Zentrum steht die Liebe: zu Gott, zum Nächsten, zu mir selbst.

Eine Partei, die Menschen aufgrund von Herkunft, Religion oder Hautfarbe ausgrenzt, widerspricht diesem Zentrum. Sie verschiebt die Grenze des „Nächsten“ und widerspricht so der grundlegenden Logik des Evangeliums.

Der Missbrauch christlicher Sprache

Rechte Bewegungen berufen sich gerne auf „christliche Werte“. Alexander Gauland sprach 2018: „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte“ – ein historischer Relativierungsversuch, der die Gräueltaten des NS-Regimes bagatellisiert. Außerdem bezeichnete er „den Islam als einen Fremdkörper“ und stellt damit fundamental jede pluralistische Differenz in Frage (Quelle: DIE ZEIT, Watson). Gauland bekennt sich zudem zur „kulturellen Tradition“ gegenüber dem „raumfremden Islam“, was klar gegen multikulturelle Anerkennung gerichtet ist.

Björn Höcke, Vorsitzender des Thüringer Landesverbandes der AfD, benutzte die verbotene SA-Parole „Alles für Deutschland“ und wurde dafür zu einer Geldstrafe verurteilt (The Times). Der Verfassungsschutz stuft seinen Landesverband als eindeutig rechtsextrem ein. Höcke wird als Geschichtsrevisionist eingeordnet, weil er die Aufarbeitung der NS-Verbrechen ablehnt. Er verglich Anti-AfD-Proteste mit NS-Fackelmärschen und sprach von „Remigration“ – der systematischen Rückführung von Menschen – als Teil eines entmenschlichenden Diskurses (BILD, DIE WELT).

Alice Weidel verbreitete unter anderem die Aussage: „Die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte“, was den respektvollen und inklusiven Umgang mit Andersdenkenden diskreditiert (Übermedien, Reuters). Zudem verfolgt sie teils ausländer- und muslimkritische Töne als strategische Abgrenzungspolitik.

Einstufung durch den Verfassungsschutz

Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die AfD und die Jugendorganisation „Junge Alternative“ als Verdachtsfall ein – also als potenziell verfassungsfeindlich (Bundesamt für Verfassungsschutz). Der rechte Flügel, insbesondere Höcke, wird sogar als rechtsextremistische Bestrebung bewertet. In Thüringen gilt die Jugendorganisation als gesichert rechtsextrem. Der AfD-Landesverband von Höcke wurde vom Verfassungsschutz als „kämpferisch-aggressiv“ bezeichnet – eine Einstufung mit potenziellen rechtlichen Folgen (Verfassungsschutz Thüringen, BIEGEX).

Diese Zitate und Einschätzungen belegen eindrücklich, dass die AfD mit ihren zentralen Figuren und ideologischen Strömungen politische und humanistische Werte vertritt, die fundamental im Widerspruch stehen zu:

  • Liebe zum Fremden (Fremde willkommen heißen)
  • Barmherzigkeit und Gastfreundschaft
  • Demut und Friedfertigkeit
  • Fürsorge für Schwache und Fremde
  • Kritik an Ausgrenzung, Demokratiefeindlichkeit, Rassismus

Diese Ideale – den Menschen nahe an Jesu Geist – stehen absolut konträr zu einem Politikstil, der auf Abschottung, Ideologie, Ausgrenzung, Überhöhung nationaler Identität und Geschichtsverharmlosung setzt.

Ein Blick in die Kirchengeschichte

Die Instrumentalisierung des Christentums für politische Zwecke ist nicht neu. Schon in der Zeit des Nationalsozialismus wurde der Glaube missbraucht, um antisemitische, nationalistische und rassistische Ideologien zu stützen. Die sogenannte „Deutsche Christen“-Bewegung versuchte, das Christentum zu „entjudaisieren“ und es der nationalsozialistischen Ideologie anzupassen. Sie interpretierten Bibeltexte und Kirchenlehre, um ihre politischen Ziele zu legitimieren, und verschoben den Fokus weg von Liebe und Solidarität hin zu einer Ideologie der Ausgrenzung und Überhöhung.

Demgegenüber stand die Bekennende Kirche, die im Barmer Bekenntnis von 1934 erklärte: „Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.“ Mit anderen Worten: Keine Ideologie, keine Partei, kein Volk darf an die Stelle des einen Gottes treten. Die Mahnung der Bekennenden Kirche ist bis heute aktuell: Jede Instrumentalisierung des Glaubens für politische Zwecke bedroht den Kern christlicher Ethik. Auch heute müssen Christinnen und Christen wachsam bleiben, wenn politische Kräfte versuchen, Symbole, Sprache oder Glaubensinhalte für ideologische Zwecke zu vereinnahmen. Historische Erfahrungen zeigen, dass solche Vereinnahmungen oft zu Ausgrenzung, Intoleranz und Gewalt führen.

Theologische Klarheit gegen Populismus

Die AfD lebt von Feindbildern. Geflüchtete, Muslime, queere Menschen, „die da oben“ – immer gibt es ein „die“, das als Bedrohung stilisiert wird. Doch die Bibel ruft zur Umkehr von genau diesem Denken. Immer wieder erinnert sie daran, dass Israel selbst ein Volk war, das Fremdheit erlebte: „Den Fremden sollst du nicht ausnützen und nicht ausbeuten; ihr selbst habt ja die Erfahrung gemacht, wie es ist, Fremde in Ägypten zu sein“ (Ex 22,20). Diese und andere Texte verdeutlichen, dass ein Christentum, das auf Liebe, Mitgefühl und Gerechtigkeit gründet, sich jeder Form von Diskriminierung und Abschottung entgegenstellt.

Darüber hinaus betonen die Propheten immer wieder die Pflicht zur Gerechtigkeit und Fürsorge für die Schwachen. Ein Christentum, das sich populistischen Strömungen unterwirft, missachtet diese prophetische Stimme. Wer Christen oder Muslime, Queers oder Andersdenkende als Bedrohung darstellt, handelt im Gegensatz zu Gottes Willen, der Menschen zum Schutz der Schwachen und zur Solidarität ruft. Hier zeigt sich die klare theologische Differenz: Populistische Angstpolitik verkehrt die Werte des Evangeliums ins Gegenteil.

Glaube statt Angst

Ein zentrales Motiv rechtspopulistischer Politik ist die Angst: Angst vor Überfremdung, Angst vor dem Verlust der eigenen Kultur, Angst vor der Zukunft. Doch die Bibel ruft unermüdlich: „Fürchte dich nicht!“ (Jes 41,10). Vertrauen auf die Ewige ersetzt Angst. Hoffnung ersetzt Resignation. Liebe ersetzt Hass.

Wer AfD wählt, folgt einer Politik, die systematisch auf Angst setzt. Die rhetorischen Strategien der Partei erzeugen ein Bild der Bedrohung, das Menschen zu Ausgrenzung und Feindseligkeit motivieren soll. Wer aber glaubt, orientiert sich an Gottes Verheißung: Nächstenliebe, Solidarität und Vertrauen in die göttliche Führung. Diese Form der Zuversicht bedeutet, die Welt nicht als Bedrohung zu sehen, sondern als Ort, an dem Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Hoffnung gelebt werden sollen. Angst kann kurzfristig Handlungen motivieren, Glaube hingegen formt die ethische Basis eines Lebens, das den anderen schützt und nicht ausgrenzt.

Das Paradoxe

Es ist ein tiefes Paradoxon: Die mir nahestehende Person lebt ihren Glauben voller Demut, Sanftmut, Bibeltreue, täglichem Gebet und beständiger Nächstenliebe. Sie liest die Bibel täglich, vertraut auf Gott in allen Dingen – selbst in scheinbar kleinen Alltagssituationen – und versucht, das Wesen Jesu in Freundlichkeit, Geduld und Vergebungsbereitschaft nachzuahmen. Sie achtet auf Barmherzigkeit gegenüber den Schwachen, auf Gastfreundschaft und darauf, jedem Menschen mit Respekt zu begegnen. Ihr Glaube ist geprägt von humanistischer Ethik, Demut und der Bereitschaft, immer wieder zu vergeben, wie es in den Evangelien und in den prophetischen Texten der Tora gefordert wird.

Und doch stimmt sie einer Partei zu, deren Spitzenleute die Verbrechen des NS-Regimes relativieren, die Abschottung propagieren und deren Rhetorik auf Feindbilder, Angst und Ausgrenzung basiert. Alexander Gauland bezeichnet „Hitler und die Nazis als nur einen Vogelschiss in über 1000 Jahren deutscher Geschichte“. Björn Höcke spricht von „Remigration“ und verwendete die verbotene SA-Parole „Alles für Deutschland“. Alice Weidel erklärt, dass „politische Korrektheit auf den Müllhaufen der Geschichte“ gehöre. Gleichzeitig wird der rechte Flügel der AfD vom Verfassungsschutz als rechtsextremistische Bestrebung eingestuft, die Jugendorganisation sogar als gesichert rechtsextrem.

Es ist das Spannungsfeld zwischen persönlicher Frömmigkeit und politischer Zustimmung: Die Werte, die diese Person in ihrer täglichen Praxis lebt – Liebe zum Nächsten, Fürsorge, Gastfreundschaft, Demut – stehen in krassem Gegensatz zu den politischen Positionen, die sie nun in Teilen unterstützt. Dieses Paradoxon offenbart, wie tief kulturelle Ängste die Wahrnehmung überlagern können, selbst wenn der eigene Glauben klar für Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Nächstenliebe einsteht. Es ist ein Mahnmal, die eigenen Werte gegen politische Vereinnahmung zu schützen.

Fazit

Die Analyse zeigt deutlich: Eine Wahlentscheidung aus kultureller Angst mag menschlich nachvollziehbar sein – vor allem angesichts wahrgenommener Veränderungen im öffentlichen Raum, wie z. B. Kopftücher im Stadtbild, Umbenennung von Weihnachtsmärkten oder Diskussionen um Islamunterricht. Aber die AfD ist keine christliche Alternative. Sie verstößt gegen zentrale christliche Werte: Liebe, Demut, Gastfreundschaft, Fürsorge, Barmherzigkeit und die prophetische Forderung nach Gerechtigkeit.

Christlicher Glaube lebt nicht von Angst und Abgrenzung, sondern von Vertrauen, Hoffnung und aktiver Fürsorge für alle Menschen – besonders für die Schwachen, Fremden und Ausgegrenzten. Wer diese Werte ernst nimmt, kann die Programme und die Rhetorik der AfD nicht unterstützen. Das Paradoxon, dass eine fromme Person diese Partei wählt, zeigt, wie wichtig es ist, Glaubensethik, politische Bildung und historische Sensibilität zusammenzudenken. Christliche Ethik erfordert, Differenz zu respektieren, das Fremde willkommen zu heißen und sich gegen menschenfeindliche Ideologien zu stellen.

In der Konsequenz bleibt festzuhalten: Glaube sollte Ängste überwinden, nicht legitimieren; er sollte Liebe verbreiten, nicht trennen. Wer sich ernsthaft am Evangelium orientiert, erkennt, dass eine Partei wie die AfD den Kern dessen untergräbt, wofür Christinnen und Christen stehen – und dass wahre Fürsorge, Demut und Gerechtigkeit nur jenseits von Ideologien zu finden sind.

Quellenangaben

  • Alexander Gauland: „Der Islam ist ein Fremdkörper“ – Watson.de, DIE ZEIT,
  • Alexander Gauland: „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte.“ – Watson.de
  • Björn Höcke: Verwendung der verbotenen SA-Parole „Alles für Deutschland“ – The Times
  • Björn Höcke: Einstufung Thüringer Landesverband als eindeutig rechtsextrem – DIE WELT
  • Björn Höcke: Aussagen zu „Remigration“ und NS-Fackelmärschen – BILD, DIE WELT
  • Alice Weidel: „Die politische Korrektheit gehört auf den Müllhaufen der Geschichte“ – Übermedien, Reuters
  • Bundesamt für Verfassungsschutz: AfD und „Junge Alternative“ als Verdachtsfall
  • Verfassungsschutz Thüringen: Einstufung der Jugendorganisation als gesichert rechtsextrem
  • BIEGEX: Einstufung des rechten Flügels der AfD als rechtsextremistische Bestrebung

3 Gedanken zu “Christlicher Glaube und AfD – ein unüberwindbarer Widerspruch

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