Rechter Antisemitismus tarnt sich oft hinter Chiffren, scheinbar harmlosen Formulierungen und „Globalisten“-Rhetorik. Doch die Botschaft bleibt die gleiche: Juden werden delegitimiert, als Strippenzieher dargestellt und als Gefahr konstruiert. Dieser Artikel zeigt anhand eines aktuellen Social-Media-Kommentars, der Aussagen führender AfD-Politiker:innen und historischer Muster, wie Braun-Blauer Antisemitismus funktioniert, welche Mechanismen er nutzt und warum Wachsamkeit, Aufklärung und klare Abgrenzung politisch essenziell sind.
Einleitung
Antisemitismus ist nicht verschwunden. Er hat sich verändert, maskiert sich in neuen Begriffen und Medien, bleibt aber in seinen Kernmustern erkennbar. Ein aktuelles Beispiel zeigt, wie schnell alte Stereotype wieder auftauchen und wie sie in sozialen Medien verbreitet werden. Dabei ist zu erkennen, dass Antisemitismus nicht nur auf offensichtliche Angriffe beschränkt bleibt, sondern auch subtil vermittelt werden kann – etwa über Chiffrierungen, vermeintliche „kritische“ Argumentationen oder Bezugnahme auf historische Narrative.
Genese und Entwicklung des völkischen Antisemitismus
Die Emanzipation der Juden während der Aufklärung erfolgte in Europa nur stückweise und mit großen Verzögerungen. Je nach Land wurden Rechte wie die freie Berufsausübung, Niederlassungsfreiheit, Zugang zu Schulen, das Errichten von Synagogen oder der Druck eigener Gebetbücher zunächst ungleich, teilweise rückgängig gemacht oder lange nur auf dem Papier gewährt. Vollständige Bürgerrechte wurden erst nach langen, oft zähen Kämpfen Realität.
Mit der politischen Ideologie von Johann Gottlieb Fichte (1762–1814) trat eine neue antisemitische Logik hervor, die eng mit Nationalismus verbunden war. Fichte sah die Juden als „Staat im Staat“ – eine Nation innerhalb der Nation, die ihre Bürgerrechte angeblich ausnutze, um Macht über andere zu erlangen. Seine Vorstellungen verbanden historische Vorurteile – Feindseligkeit, Menschenhass, Abgesondertsein – mit der Idee eines deutschen Nationalismus, in dem sich ein neues Volk der „reinen Vernunft“ gegen seine Feinde durchsetzen müsse. Religion wurde zunehmend durch die Idee von „kritischer Vernunft“ ersetzt, während die alten Stereotype in neuer Form weiterwirkten.
Im 19. Jahrhundert entwickelten sich diese Ideen zu einem rassistisch-völkischen Antisemitismus. Jakob Friedrich Fries beispielsweise beschrieb 1816 das Judentum als „Völkerkrankheit“, deren gesellschaftliche Macht durch Geld zunehme. Die ersten Pogrome, wie die Hep-Hep-Krawalle 1819, verbanden religiöse Vorurteile mit deutschem Nationalismus und christlichem Selbstverständnis. Juden wurden als Bedrohung für das Christentum dargestellt und eine gewalttätige Reaktion propagiert.
Trotz fortschreitender Emanzipation, die im Deutschen Bund 1847 und 1848/49 die volle Gleichstellung brachte, blieb die antisemitische Grundstimmung in Gesellschaft und Politik präsent. Die Einführung der Rassentheorie verstärkte die antisemitische Ideologie, die nun den Juden als „Materialist“, „Parasiten“ oder „Volk im Volke“ bezeichnete. Wilhelm Marr prägte den Begriff „Antisemitismus“ und begründete eine moderne, rassistisch verstandene Judenfeindschaft.
Kirchliche, wissenschaftliche und populäre Diskurse griffen diese Ideen auf. Antisemitische Schriften, Pamphlete und Ritualmordlegenden verbreiteten Stereotype über Intellekt, Moral, Aussehen und soziale Eigenschaften der Juden. Adolf Stoecker, Heinrich von Treitschke und Eugen Dühring führten diese Argumentation in Politik, Kirche und Publizistik fort. Eugen Dühring etwa verband Judenhass mit völkischer Ideologie, Rassentheorie und sozialem Darwinismus, während Theodor Fritzsch in seinem „Antisemiten-Katechismus“ die Trennung des deutschen Volkes vom Judentum propagierte.
Die NS-Ideologie setzte diese Entwicklung fort und radikalisierte sie: Hitler und die NSDAP kombinierten rassische, politische und religiöse Antisemitismen zu einem umfassenden Eliminationsprogramm. Die Nürnberger Gesetze, der Judenboykott, die Reichskristallnacht und die bürokratische Durchführung der „Endlösung“ führten zum Völkermord an sechs Millionen Menschen. Antisemitische Sprache und Bildsprache wurden zur Propagandamaschinerie, die Juden als hässliche, böse, parasitäre „Andersartige“ den arischen Deutschen gegenüberstellte.
Nach 1945 verschwand der offen gezeigte völkische Antisemitismus nicht, sondern wurde verpönt und öffentlich zurückgehalten. In rechtsextremen Kreisen überdauerte er jedoch, nun verschlüsselt und chiffriert. Neue Rechtspopulisten nutzen subtile Codes, Umschreibungen und Verschwörungsnarrative: von „Globalisten“ und „Strippenziehern“ über das „Ostküsten-Establishment“ bis zur Darstellung einer „Schicksalsgemeinschaft zwischen Juden und Christen“ gegen einen neuen Feind, zB. den Islam, bzw. den Islamismus, der jetzt dabei sei, Europa mit Blut und Feuer zu überziehen. Das Muster klassischer antisemitischer Zuschreibungen – der Jude als Ursache für gesellschaftliche Probleme – bleibt erhalten, nur die Ausdrucksformen sind modernisiert.
Konkretes Fallbeispiel
In einem Kommentar auf einer Social-Media-Plattform hieß es: „Juden und Wahrheit passen einfach nicht zusammen. Die Absage der Veranstaltung… nach Intervention des Juden-Verbandes ist ein weiteres Beispiel dafür“. Auf den ersten Blick mag dies als überspitzte Meinung erscheinen, doch die Formulierung ist exemplarisch für klassische antisemitische Stereotype: Sie unterstellt, dass Juden prinzipiell lügen und delegitimiert ihre Stimmen. Der Kommentar suggeriert zudem eine Machtposition der Juden, die Einfluss und Kontrolle über gesellschaftliche Prozesse ausüben. Solche Aussagen sind sprachlich so konstruiert, dass sie einerseits wie persönliche Meinung wirken, andererseits tief verwurzelte historische Narrative reproduzieren.
Abgrenzung: Kritik vs. Antisemitismus
Es ist wichtig, zwischen legitimer Kritik an z.B. Politik und rechter, braun-blauer antisemitischer Rhetorik zu unterscheiden. Letztere zielt nicht auf politische Debatte, sondern auf die Delegitimierung jüdischer Menschen und Institutionen als solche. So greift der hier diskutierte Kommentar die Identität und die Existenz von Jüdinnen und Juden selbst an. Subtile Chiffrierungen wie die Bezugnahme auf „jüdische Verbände“ oder „Globalisten“ schaffen den Eindruck, es gehe um politische Machtkritik, tragen aber antisemitische Botschaften weiter.
Historische und ideologische Wurzeln
Viele der in dem Kommentar aufscheinenden Stereotype haben tiefe historische Wurzeln. Bereits in der Frühen Neuzeit wurden Juden als Feinde der Vernunft, als habsüchtige und manipulative Geldhändler dargestellt – Stereotype, die Philosophen wie Spinoza, Voltaire oder Kant in säkularer Form weitertrugen. Im 19. Jahrhundert verbanden sich diese Motive mit Nationalismus und völkischem Denken, bei Fichte oder Stoecker etwa als „Volk im Volke“, bei Treitschke als Bedrohung für das deutsche Christentum.
Hier schließen sich auch die „Protokolle der Weisen von Zion“ an: Die angeblichen geheimen Pläne jüdischer Eliten zur Weltherrschaft von 1905 (bewusst gefälscht und manipulativ zusammengestellt) schufen ein Narrativ, das Juden als mächtige, manipulative Akteure darstellte. Obwohl die Schrift 1935 in Bern vor Gericht als Fälschung entlarvt wurde, bildete sie die Grundlage für Hitlers Vorstellungen von einer jüdischen Weltverschwörung und beeinflusste auch totalitäre Ideologien außerhalb Deutschlands, etwa im Stalinismus und frühen Islamismus.
Antisemitische Narrative gestern und heute
Antisemitische Stereotype und Narrative haben sich über Jahrhunderte kaum verändert. Ein zentrales Motiv ist die Vorstellung, Juden planten heimlich die Weltherrschaft, kontrollierten Finanzströme und untergruben andere Gesellschaften. Diese Mythen sind nicht nur historische Artefakte, sondern wirken bis heute nach – in subtiler oder offener Form.
Ein besonders prägnantes Beispiel für die Modernisierung alter Feindbilder sind die Protokolle der Weisen von Zion von 1905. Obwohl sie bereits 1935 in Bern vor Gericht als Schundschrift und Fälschung entlarvt wurden, lieferten sie den Nationalsozialisten eine Art Blaupause: die Projektion alter Mythen über jüdische „Rache“ und „Weltherrschaft“ in einem neuen, pseudohistorischen Gewand. Adolf Hitler und NS-Propagandisten wie Julius Streicher nutzten diese Narrative, um Juden als globale Gefahr darzustellen, die sowohl das deutsche Volk als auch andere Völker bedrohten.
Bereits 1936 griff der Stürmer diese Motive auf, bezogen auf die arabische Bevölkerung in Palästina: Juden würden gezielt einwandern, um arabisches Land zu übernehmen und die Bevölkerung zu verdrängen. In mehreren Ausgaben (Heft 30, Juli 1936; Heft 41, Oktober 1936; Heft 44, Oktober 1936) wird suggeriert, die Araber würden um ihre Heimat kämpfen, die Juden ihnen rauben wollten. Diese Darstellung verband die alten antisemitischen Stereotype von Machtgier, Expansionismus und Kontrolle direkt mit aktuellen politischen Ereignissen und diente dazu, die Juden als universelle Bedrohung zu inszenieren.
Die ideologische Wirkung der Protokolle zeigt sich auch in anderen totalitären Bewegungen. So verbanden der Mufti von Jerusalem und Hitler schon 1933 ihre antisemitischen Vorstellungen, die eine jüdische Weltverschwörung behaupteten. Der NS-Propagandist Julius Streicher bezeichnete jüdische Einwanderung nach Palästina als Gefahr für die arabische Bevölkerung und legte damit die Grundlage für die Darstellung von Juden als „Agenten“ einer globalen Verschwörung.
Diese Kontinuitäten lassen sich bis in die Gegenwart verfolgen. Rechtspopulistische Parteien wie die AfD nutzen vielfach dieselben Chiffren und Muster: „Eliten“, „Strippenzieher“, „globalistische Mächte“ oder „Zionisten“ stehen als Stellvertreter für einen unsichtbaren jüdischen Einfluss. Die AfD wird von Verfassungsschutz und politischen Beobachtern als rechtsextrem eingestuft, gerade wegen der Nähe zu klassischen antisemitischen Narrativen. Dabei wird offen antisemitischer Hass oft durch scheinbar „pro-palästinensische“ Rhetorik maskiert: Kritik am Staat Israel oder an Zionismus wird auf antisemitische Verschwörungsideen projiziert, während alte Stereotype von Macht, Kontrolle und Bedrohung weiterwirken.
Die historische Analyse zeigt, dass Antisemitismus nicht einfach verschwindet, sondern sich wandelt. Alte Mythen – von religiös begründeten Vorwürfen über wirtschaftliche Stereotype bis zu den rassistisch-völkischen Vorstellungen des 19. Jahrhunderts – werden immer wieder neu eingespeist. Die Protokolle der Weisen von Zion, NS-Propaganda und die heutigen Chiffren in Rechtspopulismus und Islamismus bilden eine durchgängige Linie, die es ermöglicht, antijüdische Narrative zu erkennen, ihre Kontinuität zu analysieren und ihnen entgegenzuwirken.
Antisemitische Stereotype und ihre Funktion
Die wiederkehrenden Muster sind klar: Juden werden als Lügner, Machthaber und „Strippenzieher“ dargestellt, ihre Stimmen delegitimiert, ihr Einfluss überhöht. Diese Zuschreibungen dienen der Feindbildkonstruktion, schaffen hierarchische Gegnerschaften und rechtfertigen Ausgrenzung oder Gewalt. Historisch und gegenwärtig funktionieren diese Stereotype auf mehreren Ebenen gleichzeitig:
- Psychologische Wirkung: Indem Juden als manipulativ oder übermächtig dargestellt werden, erzeugen die Narrative Misstrauen, Angst und Ablehnung. Dies stabilisiert ein klares „Wir gegen die Anderen“-Denken und erleichtert die moralische Rechtfertigung von Diskriminierung.
- Gesellschaftliche Normalisierung: Selbst subtil formulierte Aussagen, etwa über „Globalisten“, „Zionisten“ oder „übermächtige Organisationen“, transportieren die gleichen antijüdischen Vorstellungen wie klassische Stereotype. Diese Chiffrierungen ermöglichen es, antisemitische Botschaften in öffentlichen Debatten zu verbreiten, ohne dass sie sofort als Hassrede erkennbar sind.
- Politische Instrumentalisierung: Stereotype werden genutzt, um demokratische Prozesse und Institutionen zu delegitimieren. Indem jüdische Stimmen als Teil einer geheimen oder mächtigen Elite dargestellt werden, werden politische Entscheidungen, Medienberichte oder gesellschaftliche Initiativen unter Generalverdacht gestellt.
- Reproduktion historischer Narrative: Moderne Aussagen greifen auf Jahrhunderte alte Motive zurück – von der Darstellung der Juden als „Volk im Volke“ bis zu den Vorstellungen einer „jüdischen Weltverschwörung“ in den Protokollen der Weisen von Zion. Dadurch entsteht eine Kontinuität antisemitischer Logik, die unabhängig von konkreten historischen Kontexten immer wieder aktiviert werden kann.
- Feindbildkonstruktion und Gewaltpotenzial: Durch die Zuschreibung von Macht, Unwahrhaftigkeit und manipulativer Kontrolle werden Juden als moralische und gesellschaftliche Bedrohung inszeniert. Das Feindbild rechtfertigt nicht nur verbale Angriffe, sondern auch institutionelle Diskriminierung und, in extremen Fällen, physische Gewalt.
Zusammengefasst dienen antisemitische Stereotype sowohl der simplen Erklärung komplexer gesellschaftlicher Entwicklungen („Juden steuern die Wirtschaft/Politik“) als auch der Legitimierung von Diskriminierung, Abgrenzung und aggressivem politischen Handeln. Ihre Funktion ist somit langfristig destabilisiert, gesellschaftlich spaltend und individuell bedrohlich zugleich.
Braun-blauer Antisemitismus: Definition und Charakteristika
Dieser Antisemitismus ist offen, aggressiv und direkt auf jüdische Personen oder Institutionen gerichtet. Er übernimmt Verschwörungsnarrative, koppelt sie an anti-demokratische Einstellungen und findet sich in Parteien wie AfD, FPÖ oder in rechtsextremen Gruppierungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Strategien reichen von Relativierung der Shoah über Instrumentalisierung von Judenverbänden bis zur Verbindung antisemitischer Narrative mit anti-muslimischer Rhetorik.
Beispiele aus der Gegenwart
AfD-Politiker:innen verwenden oft die gleiche Logik wie historische Antisemiten: Relativierung der Shoah, Bezug auf „Globalisten“ oder „Zionisten“ als angebliche Strippenzieher, Schaffung einer „Schicksalsgemeinschaft zwischen Juden und Christen“ gegen den neuen Feind Islam. Diese Chiffrierung macht Antisemitismus gesellschaftlich wirksam, ohne sich offen zu bekennen. Expert:innen und Verfassungsschutzbehörden bewerten die AfD als gesichert rechtsextrem: Führende Politiker:innen und bestimmte Parteistrukturen zeigen ein deutliches Muster von Ressentiments, Nationalismus und Antisemitismus, das über normale konservative Positionen hinausgeht.
- Alexander Gauland: „Hitler und die Nazis sind nur ein Fliegenschiss in über 1.000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte.“
- Gauland über die Holocaust-Erinnerung: Kritik am Holocaust-Schandmal, Entwertung der Erinnerungskultur.
- Gauland über „Globalisten“ und jüdische Organisationen: Reproduktion historischer Stereotype von Einfluss und Macht.
Weitere AfD-Politiker:innen nutzen ähnliche Formulierungen, um jüdische Stimmen indirekt zu delegitimieren, indem sie Verbände oder Organisationen als übermächtig oder manipulativ darstellen. Durch Chiffrierungen wie „Zionisten“ oder „Globalisten“ können antisemitische Botschaften gesellschaftlich wirksam verbreitet werden, ohne explizit offen antisemitisch zu erscheinen.
Analyse des Kommentars
Die Formulierung „Juden und Wahrheit passen nicht zusammen“ enthält zwei zentrale Elemente:
- Die Zuschreibung grundsätzlicher Unwahrhaftigkeit – eine direkte Delegitimierung.
- Die Suggestion einer Steuerung oder Einflussnahme („Intervention des Juden-Verbandes“), die Macht und Kontrolle unterstellt.
Die sprachliche Mechanik wirkt subtil, aber effizient: durch Generalisierung und Kausalverkürzung wird ein Narrativ geschaffen, das jüdische Menschen kollektiv verantwortlich und manipulierend erscheinen lässt.
Folgen und Gefährdung
Solche Aussagen erhöhen das gesellschaftliche Klima der Enthemmung. Sie normalisieren Vorurteile, indem sie antisemitische Stereotype als „harmlos“ oder „meinungsbildend“ erscheinen lassen, und tragen so zur gesellschaftlichen Akzeptanz von Hass bei. Die direkte Zuschreibung von Unwahrhaftigkeit und Macht an Jüdinnen und Juden kann zu psychischer Belastung, Angst und einem Gefühl permanenter Bedrohung führen. Für jüdische Menschen und Organisationen besteht dadurch ein erhöhtes Risiko von Diskriminierung, verbaler oder körperlicher Gewalt und Ausgrenzung im öffentlichen und beruflichen Raum.
Darüber hinaus wirken solche Narrative spaltend auf die Gesellschaft. Sie schaffen Hierarchien zwischen vermeintlichen „Eliten“ und „Normalbürger:innen“ und fördern die Vorstellung einer unsichtbaren Kontrolle durch jüdische Akteure – ein Muster, das historisch immer wieder zu Pogromen, institutioneller Diskriminierung und staatlich legitimierter Gewalt geführt hat. Subtile oder chiffrierte Aussagen, etwa über „Globalisten“ oder die angebliche „Übermacht“ von Organisationen, können die gleiche Wirkung entfalten, auch wenn sie nicht offen als antisemitisch markiert sind.
Gesellschaftlich begünstigen solche Aussagen Radikalisierung, da sie ein Feindbild konstruieren, das politische Extreme mobilisiert. Sie untergraben demokratische Normen, da sie Misstrauen in Institutionen, Medien und politische Prozesse säen. Indem sie die Legitimität jüdischer Stimmen infrage stellen, wird gleichzeitig die Grundlage für gesellschaftliche Solidarität, Rechtsstaatlichkeit und Pluralismus beschädigt. Kurz gesagt: Die Gefährdung ist sowohl individuell – durch konkrete Bedrohungen – als auch kollektiv, durch die Erosion von Vertrauen und demokratischer Stabilität, enorm.
Gegenstrategien und Empfehlungen
Aufklärung, mediale Sensibilisierung und klare Abgrenzung von politischen Akteuren sind essenziell. Dazu gehört zunächst, dass Öffentlichkeit, Medien und Bildungseinrichtungen die Mechanismen von Antisemitismus transparent machen: Wie werden alte Stereotype transformiert, wie funktionieren subtile Chiffrierungen, und wie erkennen wir die Muster hinter Begriffen wie „Globalisten“ oder „Zionisten“? Medien sollten gezielt gegen Narrative arbeiten, die delegitimierende Vorwürfe verbreiten, und gleichzeitig Raum für jüdische Stimmen bieten, um Sichtbarkeit und Perspektiven zu stärken.
Im konkreten politischen Kontext ist die Auseinandersetzung mit der AfD und vergleichbaren Parteien von besonderer Bedeutung. Die AfD ist gesichert als rechtsextrem einzustufen, ihre Strategie besteht darin, antisemitische Narrative häufig verschlüsselt zu transportieren: Relativierung der Shoah, Bezug auf „Globalisten“ oder „Zionisten“ als angebliche Strippenzieher, oder die Instrumentalisierung jüdischer Verbände zur politischen Legitimierung eigener Positionen. Diese subtilen Chiffrierungen erschweren die öffentliche Wahrnehmung von Antisemitismus und machen gezielte Aufklärung unerlässlich.
Bildung spielt eine zentrale Rolle: Schulen, Universitäten und außerschulische Einrichtungen müssen historische und moderne Formen von Antisemitismus vermitteln, praktische Beispiele analysieren und Debatten über Demokratie, Minderheitenschutz und Verantwortung fördern. Besonders wichtig ist dabei die Reflexion aktueller Parteienstrategien – wie sie durch Sprache, Chiffrierung und gezielte Narrative Ressentiments schüren. Workshops, Seminare und gezielte Curricula können das Bewusstsein für diese Mechanismen schärfen und gleichzeitig die demokratische Resilienz stärken.
Darüber hinaus sind rechtliche und politische Maßnahmen notwendig. Überwachung und Sanktionierung von Hassrede, klare Richtlinien für Social-Media-Plattformen und konsequente Strafverfolgung bei Bedrohung oder Diskriminierung stärken die demokratische Ordnung und senden ein deutliches Signal, dass antisemitische Propaganda nicht toleriert wird – auch wenn sie indirekt oder verschlüsselt durch politische Parteien wie die AfD verbreitet wird. Zivilgesellschaftliche Initiativen, die Prävention, Beratung und Intervention verbinden, leisten dabei einen ebenso wichtigen Beitrag.
Nicht zuletzt sollten Bündnisse und Netzwerke aus Politik, Wissenschaft, Zivilgesellschaft und jüdischen Organisationen gefördert werden. Durch gezielte Kooperationen können Beobachtungen zu verborgenen antisemitischen Strategien, etwa bei der AfD oder anderen rechtsextremen Gruppierungen, systematisch analysiert und öffentlich gemacht werden. Diese Zusammenarbeit stärkt Solidarität, ermöglicht schnelle Gegenmaßnahmen und unterstützt sowohl Prävention als auch Intervention. Nur durch ein Zusammenspiel von Bildung, Medien, Recht und gesellschaftlichem Engagement kann Antisemitismus wirksam begegnet werden und die Wiederholung historischer Muster verhindert werden.
Schluss
Braun-blauer Antisemitismus ist ebenso ernst zu nehmen wie andere Formen antisemitischer Ideologie. Historische Muster – alte Stereotype von Macht, Einfluss und Lügen – werden heute gezielt verschlüsselt und von Parteien wie der AfD weiterverbreitet. Subtile Formulierungen, Relativierungen der Shoah und die Instrumentalisierung jüdischer Organisationen dienen der Normalisierung antisemitischer Narrative und gefährden sowohl die Sicherheit jüdischer Menschen als auch die demokratische Kultur.
Es ist daher notwendig, wachsam zu sein und die Strategien rechter Parteien analytisch zu durchschauen. Demokratische Verantwortung bedeutet nicht nur, gegen offene Hassrede vorzugehen, sondern auch gegen verschlüsselte, indirekte Delegitimierungen. Die AfD ist gesichert als rechtsextrem einzustufen, und ihre politischen Akteure reproduzieren auf unterschiedliche Weise historische Stereotype, sei es durch Bezug auf „Globalisten“ oder durch die gezielte Abwertung von Erinnerungskultur und Holocaust-Gedenken.
Solidarität mit jüdischen Menschen, Organisationen und Communities ist dabei zentral. Zivilgesellschaftliche Initiativen, mediale Aufklärung und politische Maßnahmen müssen zusammenwirken, um das gesellschaftliche Klima zu schützen und Radikalisierung vorzubeugen. Nur durch konsequente Bildung, rechtliche Sanktionen und öffentliche Debatten können die subtilen Mechanismen antisemitischer Ideologie sichtbar gemacht, entkräftet und die Wiederholung historischer Fehler verhindert werden.
Letztlich liegt die Verantwortung bei allen gesellschaftlichen Akteur:innen: Medien, Bildungseinrichtungen, Politik und Bürger:innen. Wer wachsam bleibt, historische Muster erkennt und demokratische Werte verteidigt, trägt aktiv dazu bei, dass Antisemitismus – offen oder verschlüsselt – nicht länger gesellschaftlich wirksam wird.
Quellen
- Arendt, Hannah (1951). Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft. Frankfurt am Main: Fischer Verlag.
- Bauer, Yehuda (1982). Rabbiner, Juden, Nationen: Studien zum Antisemitismus. München: Beck.
- Butter, Michael (2018). Die Flüsterer: Rechtsextremismus und Verschwörungsglaube in Deutschland. München: Beck.
- Ehrbeck, Heiner (2014). Antisemitismus-Ausbeutung-Unterdrückung. Bonn.
- Freter, Wolfgang. „Der Antisemitismus im heutigen Rechtsextremismus“. Bundeszentrale für politische Bildung. URL: https://www.bpb.de/themen/rechtsextremismus/dossier-rechtsextremismus/261322/der-antisemitismus-im-heutigen-rechtsextremismus
- Höttemann, Michael. „Sekundärer Antisemitismus: Antisemitismus nach Auschwitz“. Bundeszentrale für politische Bildung. URL: https://www.bpb.de/themen/antisemitismus/dossier-antisemitismus/321575/sekundaerer-antisemitismus/
- Küntzel, Matthias (2019). Nazis und der Nahe Osten. Berlin/Leipzig.
- Nirenberg, David (2017²). Anti-Judaismus. Eine andere Geschichte des westlichen Denkens. München.
- Poliakov, Leon (1974). The History of Anti-Semitism. New York: Atheneum.
- Schäfer, Peter (2022). Kurze Geschichte des Antisemitismus. München.
- Shalicar, Arye Sharuz (2018). Der neu-deutsche Antisemit. Berlin/Leipzig.
- Schwarz-Frisel, Monika / Reinharz, Jehuda (2013). Die Sprache der Judenfeindschaft im 21. Jahrhundert. Berlin/Boston.
- Steinke, Ronen (2020³). Terror gegen Juden. Wie antisemitische Gewalt erstarkt und der Staat versagt. Berlin.
- Tarach, Tilman (2022). Teuflische Allmacht. Über die verleugneten christlichen Wurzeln des modernen Antisemitismus und Antizionismus. Berlin/Freiburg.
- Teter, Magda (2023). Christian Supremacy, Reckoning with the roots of antisemitism and racism. Princeton/Oxford Press.
- Wolffson, Michael (2024). Nie wieder? Schon wieder! Alter und neuer Antisemitismus. Freiburg.
- Wistrich, Robert S. (1990). Antisemitism: The Longest Hatred. New York: Pantheon Books.