Am 11. Oktober 2025 eskalierte eine Demonstration in Bern, die offiziell Solidarität mit Palästina zeigen wollte, in Gewalt, Zerstörung und antisemitische Parolen. Doch nicht nur die Ereignisse selbst sind erschütternd – auch die Reaktionen der beteiligten Gruppen im Nachgang offenbaren eine gefährliche Mischung aus Schuldumkehr, Gewaltverherrlichung und selektiver Solidarität. Dieser Artikel dokumentiert i die Stellungnahmen von Juso Bielingue, Feministischem Streik Zürich und Basel4Palestine, analysiert die ideologischen Muster und zeigt, warum das, was hier passiert ist, kein Einzelfall, sondern ein Alarmzeichen für die Schweizer Gesellschaft ist.
Am 11. Oktober 2025 erschütterte eine Demonstration in Bern die Stadt. Was als Kundgebung unter dem Banner der Solidarität mit Palästina angekündigt wurde, endete in Gewalt, Sachbeschädigungen und antisemitischen Parolen. Über 50 Gebäude wurden in Mitleidenschaft gezogen, Restaurants und Geschäfte wurden angegriffen, Scheiben eingeschlagen, Hassparolen an die Wände gesprüht: „Death to Zionist Scum“, „Kill your local Zionists“, „Intifada until victory“.
Die ersten Reaktionen waren Bestürzung, nicht nur in den Medien, sondern auch in der Bevölkerung. Viele fragten sich, wie eine Solidaritätskundgebung für ein leidendes Volk in offene Gewalt, Zerstörung und Antisemitismus kippen konnte. Doch während Beobachter*innen über die Eskalation debattierten, meldeten sich die beteiligten Gruppen selbst zu Wort – und zeichneten ein Bild, das kaum fassbar ist.
Statt Verantwortung für das Geschehene zu übernehmen, betrieben sie systematische Schuldumkehr. Nicht die Demonstrierenden hätten Gewalt entfesselt, sondern die Polizei. Nicht sie selbst hätten zerstört, sondern „notwendige Selbstverteidigung“ habe zu Sachschäden geführt. Antisemitische Parolen? Für sie lediglich „Ausdruck des Widerstands“. Kritik an der Gewalt? Lautstark zurückgewiesen, mit einer Aggressivität, die zeigt: Man will nicht mäßigen, sondern weiter eskalieren.
Dieser Artikel beleuchtet die Nachbeben der Demo, die Rechtfertigungen der beteiligten Organisationen und die gefährlichen ideologischen Muster, die sich offenbaren.
Gewalt als Programm – nicht als „Entgleisung“
Schon kurz nach den Ausschreitungen wurde klar: Für viele der Beteiligten war die Gewalt kein Unfall, sondern ein erklärtes Ziel. Banner, Parolen und ausgerüstete Gruppen mit Schutzbrillen und Handschuhen zeigten, dass die Eskalation einkalkuliert war.
Die Stellungnahmen nach der Demo bestätigen diesen Eindruck. Keine Entschuldigung, kein Bedauern, sondern Selbstgerechtigkeit und die klare Botschaft: Das war erst der Anfang.
Die Juso Bielingue: Intifada-Romantik und Hasssymbole
Ein öffentlicher Post der Juso Bielingue machte bereits Schlagzeilen. Dort hieß es:
„Es wird der Tag kommen, an welchem dieder Polizistin und Soldatin zurzum Prolet*in wird, sich umdreht und die Waffe gegen die herrschende Klasse wendet. Bis dahin sind sie der gewaltbefugte Arm der Bourgeoisie und gehören bekämpft.
Auch heute ist der Staat seiner Aufgabe nachgekommen, Imperialismus, Apartheid und Genozid zu schützen. Leisten wir Widerstand, wehren wir uns gegen jene, die uns unterdrücken und uns unserer Existenz berauben!
Intifada until Victory.“
Das dazu gepostete Symbol: das rote Hamas-Dreieck.

Die Botschaft ist eindeutig: Polizei und Armee werden nicht als demokratische Institutionen betrachtet, sondern als Feinde, die „bekämpft“ werden müssen. Der Ruf nach Intifada – klar lesbar als Aufruf zum gewaltsamen Aufstand – wird ungebrochen erhoben.
Hier offenbart sich ein gefährlicher Romantizismus: Gewalt wird nicht als Katastrophe, sondern als Verheißung verstanden. Wer so spricht, bereitet den Boden für Eskalation und Radikalisierung – und das mitten im politischen Raum einer Jungpartei.
Feministischer Streik Zürich: „Stay cute but aggressive“
Nicht weniger schockierend waren die Reaktionen des Feministischen Streiks Zürich, die sich in mehreren Instagram-Stories äußerten.
Eine erste Reaktion lautete:
„Lasst euch nicht von Menschen einreden, wie unser Protest auszusehen hat. … also eigentlich einfach IHRE FRESSE HALTEN sollten.
Es ist unsere Pflicht, alles Mögliche zu tun, das Auslöschen von unendlich vielen Menschenleben zu verhindern. Stay cute but aggressive.“
Ein weiterer Post legte nach:
„Weisse Schweizer*innen, hört auf, euch hinter eurem Wohlstand zu verstecken. … Solidarität ist kein ästhetisches Label, sie ist unbequem, laut und konsequent. Scheiss auf eure Ruhe, wenn Menschen sterben. Wir sind im Recht, moralisch, menschlich, politisch. Und wir bleiben es.“
Wenn Gewalt zur moralischen Pflicht erklärt wird
Hier wird Aggression zur Pflicht, Gewalt zur Tugend erklärt. Kritik – auch aus progressiven Kreisen – wird nicht diskutiert, sondern niedergebrüllt.
Die zentrale Botschaft: „Wir sind im Recht – moralisch, menschlich, politisch.“ Damit stilisieren sich die Aktivistinnen zu Richterinnen über die Wahrheit selbst. Wer widerspricht, gilt als Verräter, der „die Fresse halten“ soll.
Doch diese Haltung ist bequem: Während man in der Sicherheit Schweizer Städte lebt, ruft man nach „Aggression“, nach mehr Krieg, mehr Terror, mehr Toten. Die Konsequenzen – Tote, Verletzte, Traumata – tragen andere: Jüdinnen und Juden, israelische Zivilisten, aber auch Palästinenser, die sich gegen Hamas stellen – eben die Zivilisten, die sie zu schützen vorgeben.
Basel4Palestine: Schuldumkehr in Reinform
Eine dritte Strömung versuchte, die Verantwortung vollständig auf die Polizei abzuwälzen. In einem gemeinsamen Post von Basel4Palestine und Palestine Youth Basel hieß es:
„Die Demonstration hatte zum Ziel, Genozid-Profiteur:innen anzugreifen, die Polizei wurde dann zum Ziel, als sie sich in den Weg stellte. … Jegliche Sachschäden an unbeteiligten Geschäften … sind aus notwendiger Selbstverteidigung entstanden.“
Auch hier wird das Narrativ umgedreht: Nicht die Demonstrierenden sind die Täter, sondern die Opfer.
„Selbstverteidigung“ mit Hämmern, Steinen und Brandsätzen?
Bemerkenswert ist die Offenheit: „Genozid-Profiteur:innen angreifen“ war das Ziel. Das heißt: Gewalt gegen Einrichtungen, die man selbst definiert. Banken, Geschäfte, Restaurants – alles kann zur „legitimen Zielscheibe“ erklärt werden.
Noch zynischer ist die Behauptung, Sachbeschädigungen seien „Selbstverteidigung“. Wer ein Restaurant in Brand setzt, verteidigt sich? Wer Fensterscheiben einschlägt, schützt sich? Diese Verkehrung macht Täter zu Opfern – und rechtfertigt im Nachhinein alles.
Gemeinsames Muster: Opfermythos, Gewaltkult, Absolutismus
Die drei Strömungen unterscheiden sich in Ton und Stil, aber sie teilen Muster:
- Gewalt wird verherrlicht. Intifada-Rufe, Aggressionsgebote, Angriffsziel „Genozid-Profiteure“.
- Schuld wird umgedreht. Polizei und Staat sind die Täter, Demonstrierende die Opfer.
- Moralischer Absolutismus. Wer widerspricht, ist illegitim, „hat keine Ahnung“ oder „soll schweigen“.
So entsteht eine politische Kultur, in der Gewalt nicht nur akzeptiert, sondern gefordert wird.
Die Sehnsucht nach Eskalation
Besonders beunruhigend ist der klare Wille zur Eskalation. Man will keine mäßige Bewegung, keinen Dialog. Man will Konfrontation – und mehr davon.
Die Parolen in Bern erinnerten an die dunkelsten Kapitel der europäischen Geschichte: „Death to Zionists“, „Kill your local Zionists“. Das ist kein Protest gegen Politik, das ist Aufruf zu Gewalt und Mord.
Man muss sich fragen: Was wäre geschehen, wenn die Demonstrierenden bis zur Synagoge vorgedrungen wären? Das Szenario ist beängstigend – und die Parallele zur Kristallnacht bedrückend nah.
Antisemitismus im Gewand der Solidarität
Die Gruppen behaupten, für palästinensisches Leben einzutreten. Doch sie schweigen, wenn Palästinenser:innen von Hamas unterdrückt oder ermordet werden. Sie schweigen, wenn der Terror die eigenen Leute trifft.
Solidarität, die nur dann laut wird, wenn Israel verantwortlich gemacht werden kann, ist keine Solidarität. Sie ist instrumenteller Antisemitismus.
Die vergessenen Opfer: Schweigen zum Terror der Hamas
Wer „Intifada until victory“ ruft, ruft nicht nach Frieden, sondern nach Blutvergießen. Dass dabei auch Palästinenser:innen sterben, die sich Hamas widersetzen, wird ignoriert. Wer so spricht, kämpft nicht für das Leben, sondern für den Hass.
Was jetzt notwendig ist: Klare rote Linien
Nach der Eskalation von Bern ist klar: Gewalt war kein Unfall. Sie war Programm. Und die Reaktionen danach bestätigen das.
Es braucht eine klare rote Linie: Wer antisemitische Parolen duldet oder Gewalt legitimiert, disqualifiziert sich als Partner im demokratischen Diskurs. Kritik an Israel ist legitim – aber nicht, wenn sie zur Chiffre für Judenhass wird. Protest ist ein Recht – aber nicht, wenn er in Terror kippt.
Fazit: Der 11. Oktober als Alarmzeichen
Die Reaktionen nach der Demo in Bern zeigen: Es geht nicht um Palästina, nicht um Frieden. Es geht um Eskalation, um Gewalt, um Antisemitismus im neuen Gewand.
Wer so handelt, verlässt den Boden der Demokratie. Die Schweiz darf nicht wegsehen. Wenn wir zulassen, dass antisemitische Gewalt als „Selbstverteidigung“ verklärt wird, öffnen wir die Tür für Hass und Terror.
Der 11. Oktober war ein Alarmzeichen. Die Reaktionen danach sind ein zweites, noch schriller klingendes. Jetzt braucht es Klarheit und Haltung – damit jüdisches Leben in der Schweiz niemals wieder bedroht wird.



Quellen
- Öffentliche Statements von Juso Bielingue (Instagram, Oktober 2025)
- Öffentliche Stories von Feministischer Streik Zürich (Instagram, Oktober 2025)
- Öffentlicher Post von Basel4Palestine und Palestine Youth Basel (Instagram, Oktober 2025)
- Medienberichte zur Demo vom 11. Oktober 2025 in Bern (SRF, NZZ, Blick)
- Eigene Beobachtungen und Auswertung verfügbarer Dokumente