Manchmal ist die Enttäuschung über die Kirche größer als die Freude an ihren Fortschritten. Als Pfarrerin, die Jüdin ist, stehe ich oft zwischen Hoffen und Zweifeln, zwischen Engagement für Dialog und der Notwendigkeit, klare Grenzen zu ziehen. Die bevorstehende Ausstellung „Gesichter des Friedens“ in der Heiliggeistkirche in Bern hat mir erneut gezeigt, wie schnell wohlmeinende Worte über Frieden in eine problematische Realität kippen können.
Ende November öffnet die Heiliggeistkirche in Bern ihre Türen für die Ausstellung „Gesichter des Friedens“. Auf den ersten Blick klingt alles lobenswert: Menschen, die Krieg erlebt haben, setzen sich für Dialog, Kunst und Menschenrechte ein – ein Ort des Zuhörens, des Mitfühlens, der Hoffnung.
Doch bei genauerem Hinsehen stößt man auf ein Problem, das nicht zu übersehen ist: Neun der präsentierten Namen stammen von Journalist*innen, die für Sender wie Al-Manar, Al-Alam, Al-Quds TV, Al-Quds Al-Youm, Safa, Palestinian Information Center und TRT World gearbeitet haben. Eine kurze Recherche zeigt: Keine dieser Stationen entspricht journalistischen Standards fairer Berichterstattung. Mehrere sind direkt mit der Hamas oder dem Islamischen Jihad verbunden, andere werden wegen islamistischer Propaganda beobachtet (Al-Manar ist in Deutschland wegen islamistischer Propaganda verboten, und Al-Alam, der offizielle Sender der Islamischen Republik, steht in den USA wegen Gewaltaufrufen und Terrorgefahr unter Beobachtung).
Mit anderen Worten: Die Ausstellung gibt hier Personen eine Bühne, die Pressefreiheit missbrauchen, um Feindbilder zu schüren, Judenhass zu verbreiten und Gewalt zu legitimieren. Dass dies nur wenige Meter von der Synagoge entfernt geschieht, ist mehr als problematisch, insbesondere angesichts der jüngsten antisemitischen Demonstrationen in Bern, bei denen Parolen wie „Death to the IDF“ und „Kill your local Zionist“ skandiert wurden.
Als Pfarrerin, die Jüdin ist, trifft mich das zutiefst. Vor einigen Monaten noch wollte ich mich dort bewerben, um Teil dieser offenen, progressiven Kirche zu sein, die Dialog, Frieden und interreligiöses Miteinander lebt. Dass gerade eine solche Institution eine Ausstellung unterstützt, die antisemitische Narrative reproduziert, empfinde ich als Vertrauensbruch. Der Anspruch auf „praktischen Frieden, den jede*r mittragen kann“ kollidiert hier eklatant mit der Realität: Gewalt und Hass werden indirekt legitimiert.
Wenn man sich wirklich für Frieden einsetzen will – und für Palästina –, dann müsste man andere Gesichter zeigen. Menschen aus Gaza, die sich unter Einsatz ihres Lebens für eine bessere Zukunft für alle einsetzen. Für eine freie, sichere, würdige Zukunft der Palästinenserinnen – in Koexistenz mit Israelis. Menschen, die sich gegen Terror und Hass stellen, gegen den sogenannten „Widerstand“, der in Wahrheit Unterdrückung und Tod bedeutet, und die zugleich Israels rechtsradikale Regierung nicht schonen. Menschen wie Hamzy Howidy, Ahmed Fouad Alkhatib, Jaser Abu Mousa, Adnan Jaber oder die Initiative Realign For Palestine, die „radikalen Pragmatismus“ fordert: die Ablehnung von Gewalt, die Suche nach Frieden und Fortschritt für Palästinenserinnen. Das wäre Einsatz für Frieden.
Und was ist mit jenen, die beim Marsch „We Want to Live“ protestierten oder sich heute offen gegen die Hamas stellen – und dafür bitter bestraft werden? Sie kämpfen für das Leben selbst, für Hoffnung, für ein Morgen jenseits von Zerstörung und Zynismus. Wer sich für sie stark macht, macht sich für Frieden stark. Wenn man sich wirklich für Frieden einsetzen will und Palästina, dann sollte man die Menschen aus Gaza sehen, die sich unter Einsatz ihres Lebens für eine bessere Zukunft für alle einsetzen – für eine freie, sichere, würdige Zukunft für Palästinenser, in Koexistenz mit Israelis.
Theologisch gesehen ist dies eine Provokation: Frieden in der Bibel ist immer verbunden mit Gerechtigkeit und Wahrheit. Er ist nicht nur die Abwesenheit von Konflikt, nicht nur ein nettes Gefühl oder ein ästhetisches Event. Wenn eine Kirche „Frieden“ feiert und gleichzeitig Menschen ins Rampenlicht stellt, die aktiv antisemitische Narrative verbreiten, verkehrt sie das Wort ins Gegenteil. Frieden ohne Gerechtigkeit ist kein Frieden.
Offene Kirchen wie die Heiliggeistkirche tragen eine moralische und geistliche Verantwortung. Diese Verantwortung endet nicht bei der Liturgie – sie gilt auch für kulturelle Programme. Wer sie missachtet, fördert indirekt Gewalt und Hass. Ich erkenne hier, dass ich meine Berufung nicht in diesem Umfeld hätte leben können.
Gott ruft uns zu Frieden – aber nicht zu Frieden auf dem Rücken der Wahrheit.
Und nicht zu Frieden, der Hass legitimiert.